Beschreibung
Wer hat ein Recht auf Stadt? Wer soll und wer darf sich im öffentlichen Raum aufhalten? Städtische Verwaltungen und Regierungen sind zunehmend besessen vom 'Image' ihrer Stadt und stürzen sich in einen Vermarktungswettbewerb, der auf Tourismus, Investoren und Immobilienmärkte ausgerichtet ist. Die Menschen, die in der Stadt leben, werden dabei zum Ziel architektonischer Verdrängungsmaßnahmen. Überwachungskameras, Bänke mit geneigter Sitzfläche oder trennenden Armlehnen, auf denen man nicht schlafen kann, und andere Instrumente 'defensiver Architektur' erschweren insbesondere sozial marginalisierten Menschen wie Obdachlosen das Leben in der Stadt. Massive Tourismusförderung macht die Stadt ihren Bewohnern fremd und unlebbar. Business Improvement Districts heben unter dem Vorwand der Strukturförderung elementare Grundrechte auf. Gegen diese Tendenzen führt Labbé die Notwendigkeit ins Feld, eine Stadt neu zu erfinden, die sich an uns alle richtet. Er zeigt, wie Widerstand gegen diese Architektur der Verachtung gelingt und Orte wieder angeeignet werden können, und fordert eine Architektur, die ihre Aufgabe als soziale begreift und Räume der Anerkennung schafft. Denn eine Stadt, in der wir einander nicht mehr in aller Unterschiedlichkeit begegnen können, ist ein Verlust für uns alle.
Autorenportrait
Mickaël Labbé ist Direktor der Philosophischen Fakultät der Universität Straßburg und hat dort den Lehrstuhl fur Ästhetik und Philosophie der Kunst inne. Zuletzt erschien in Frankreich 'Aux alentours. Regard écologique sur la ville' (2021).
Leseprobe
Die Place dAusterlitz in Straßburg ist gleichermaßen Symbol wie Symptom. Fur mich verkörpert sie einen Wandel der alltäglich gelebten Beziehung zur städtischen Umwelt, das Gefuhl, dass ich mich in dieser Umwelt nicht mehr wiederfinde oder wiedererkenne, ihr nicht mehr so angehöre wie fruher; das Gefuhl einer Veränderung im Antlitz der von mir geschätzten Stadt, einer Verschiebung, die ungeachtet allen Anscheins von Fortschritt zu mehr Wohn- oder Lebensqualität zugleich eine Art Angriff darstellt, in der sich eine stumme Gewalt, eine unterschwellige Feindseligkeit ausdruckt. Die geschilderten unmerklichen Veränderungen und das Gefuhl von Fremdheit, das sie in mir erzeugen, haben mir vor Augen gefuhrt, dass heute kein Ort mehr sicher ist vor dem Zugriff einer weltweit wirkenden Logik der Herstellung von Räumen. Keine Stadt und kein Viertel kann sich angesichts eines regelrechten Angriffs auf den gemeinschaftliche Charakter von Orten noch unversehrt wähnen.