Beschreibung
Hans-Georg Weber, 1989 mit dem Aufstand in der DDR über die Bürgerbewegung in politische Verantwortung geraten, leitet eine Landesstelle zur Erforschung der Opposition. Im Herbst 2007 reist er in die einstige Partnerstadt im Westen der Republik, um Katharina zu treffen, eine Freundin, die seine Mithilfe für ein Buchprojekt über den Herbst 89 erbeten hat. Überschattet wird seine Reise von einem unklaren Symptom im Oberbauch. Ariane, seine Frau, drängt ihn zur Rückkehr. Er erhält eine Krebsdiagnose und beginnt eine Therapie, die seine Erkrankung als ganzheitliche Störung erkennt und behandelt. Zum ersten Mal sieht er sich gefordert, sich seiner eigenen Lebensgeschichte zu stellen. In diesem Prozess geraten Glaube und Theologie, Selbstbild und Anspruch, Anerzogenes und Charakterbedingtes in einen reinigenden Strudel, aus dem er gestärkt und hoffnungsvoll hervorgeht. Nach seiner Rückkehr beginnt er, sein Leben neu zu ordnen. Es scheint, als erhielte er eine zweite Chance.
Autorenportrait
CHRISTOPH KLEEMANN, geb. 1944 in Meißen, ist studierter Theologe. Bis 1976 war er Gemeindepfarrer und Jugendpfarrer in Sachsen, dann Studentenpfarrer in Rostock. 1989 wurde er Sprecher des NEUEN FORUMS. 1990 bis 1998 war er in kommunalpolitischen Ämtern aktiv. Zuletzt leitete er von 1999 bis 2009 die BStU-Außenstelle Rostock.
Leseprobe
Für ihn war es noch immer eine Fahrt in den Westen, obgleich sich die Spuren des DDR-Grenzregimes inzwischen verloren hatten. Wenn er am Schalter eine Fahrkarte in die alten Bundesländer löste, nannte er den Ort und fügte hinzu: im Westen. Meistens lächelte dann sein Gegenüber. Manchmal aber trafen ihn auch böse Blicke. Und jedes Mal, wenn er sich der einstigen Grenze durch Deutschland näherte, kroch aus einer nicht lokalisierbaren Tiefe diese alte Angst in ihm empor, die ihm den Hals zuschnürte und ihn glauben machte, gleich würde die Tür aufgerissen, zwei Uniformierte forderten seinen Pass und stelltenunangenehme Fragen, und er brächte keinen ordentlichen Satz mehr heraus.