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Madeleine

Erzählungen, Reihe 1 13, Deutschsprachige und internationale Gegenwartsliteratur

Erschienen am 21.02.2017
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783944122304
Sprache: Deutsch
Umfang: 240 S.
Format (T/L/B): 2.4 x 20.6 x 12.8 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Neun Erzählungen über junge Frauen zwischen 12 und 22. Sie alle lernen den eigenen Körper kennen, wie man ihm vertrauen kann und Macht über ihn gewinnt. Und damit auch Macht über andere. Geschichten darüber, was es heißt, von einer neuen Erfahrung, einem anderen Menschen berührt zu werden. Über Freundschaft, Liebe, Sex, Magersucht, Macht, Abgrenzung von den Eltern. Über Diskriminierung unter Jugendlichen wegen sozialer Unterschiede, Geschlecht oder Hautfarbe. Über Musik, Drogen und Liebe. Über den jugendlichen Wunsch, zu wachsen, so viel wie möglich in sich aufzunehmen, sich zu verändern und so viel und intensiv zu fühlen wie nur möglich. Über die jugendliche Angst, aber auch die jugendliche Angstlosigkeit, durch die Erfüllung der eigenen Wünsche zum Außenseiter zu werden. Die Schönheit und die Verwirrung, das Sanfte und Brutale, die trostlose Einsamkeit, aber auch die überbordende Energie und die ungebremste Liebesfähigkeit junger Frauen in all ihrer Kraft. 'Eine Zeit in meinem Leben war vorbei und sie war ziemlich schlimm zu Ende gegangen. Und doch, wie schön, jung zu sein, noch nicht einmal meinen eigenen Körper entdeckt zu haben (was Stunden unter dem Duschkopf der Badewanne schließlich änderten), wie schön, anderen ausgeliefert zu sein, noch so viel vor mir zu haben und so leicht einen anderen Menschen enttäuschen zu können.'

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Autorenportrait

PAULA BOMER lebt in New York. Aufgewachsen in South Bend, Indiana. Auf Deutsch erschienen von ihr 2014 der Erzählungen-Band »Baby, 2015 der Roman »Neun Monate«.

Leseprobe

Ich fasste die Katze wie einen Sack Müll, rammte sie in den Korb und schloss ab. 'Wir hauen ab!', schrie ich. Dylan hielt Dave, Lisa Susie. Als wir die Tür öffneten, war überall Rauch. Den Aufzug probierten wir alle drei erst gar nicht. Es gab zwei Treppenaufgänge, wir nahmen den ersten und öffneten die Tür. Der Rauch war weiß, dick und bewegte sich in kleinen Wolken. Mit zugekniffenen Augen und angehaltenem Atem stürzten wir die Treppe hinunter. Dann rannten wir noch eine Treppe runter, aber der Rauch war dicker und unsere Augen, unsere Lungen taten weh. 'Wir nehmen das nächste Treppenhaus', brüllte Dylan gegen das Heulen der Sirene an. Im 19. Stock sprangen wir rein in den Flur, wo es sofort besser wurde. Die Erleichterung darüber beruhigte uns fast einen süßen Augenblick lang. Dann rannten wir zur anderen Treppe. Der Rauch war auch da, aber bei weitem nicht so schlimm, bei weitem nicht. Und so schlugen wir uns durch, den ganzen Weg bis zum Erdgeschoß, dann raus und zwei Blocks die Straße runter, bis wir auf einer Bank in einem winzigen New Yorker Park saßen, während die Abenddämmerung um uns hereinbrach. Stille. Erleichterung. Und bei mir? Scham, Scham, Scham. Sie kann diesen frischen, scharfen Stich versetzen, der einem das Gefühl gibt, ganz in der Gegenwart zu leben. Alles andere verschwindet, keine Langeweile mehr, keine Zweifel, keine sorgenvollen Gedanken an die Zukunft, die Vergangenheit, an Ron, ganz erfüllt von Selbstmitleid und dem Jetzt. In diesem Augenblick drehte sich alles um mich und was bei mir schief lief. Ist eine Art Taufe, wenn sich die Tore der Reue öffnen. 'Es tut mir leid', sagte ich. Das tat gut. Jetzt erst bemerkte ich die blutigen Kratzer an meinen Unterarmen. Sie waren geschwollen und brannten: Kratzspuren der Katzen. Der Schmerz war ein Beruhigungsmittel gegen meine Scham. Lise schniefte und umarmte ihren Katzenkorb. Dylan starrte ins Leere. Der Gestank nach Katzenpisse war zugleich tröstlich und kaum auszuhalten. 'Ich hatte Angst', sagte ich. Und da wurde mir klar, dass sie mich endlich wahrgenommen hatte, mich, mich, ihre Freundin, die bisher nur ihr Fußabtreter war. Ihre prollige Freundin. Die zu nah neben ihr ging, die nicht wusste, was Crossroads oder Sonic Youth war. Ich hatte endlich Eindruck bei ihr hinterlassen. Einen schlimmen, aber immerhin einen Eindruck. Das war, bevor ich wusste, dass wir unser Leben auf diesem Planeten verbringen, indem wir im Auto unseres eigenen kleines Verstandes herumkurven, in unserer in sich geschlossenen Welt. Ja, das war, bevor ich das wusste, als ich noch dachte, dass ich irgendwie auch wichtig wäre, als ich dachte, dass die Leute mich sehen, tief in mich hineinsehen, all meine Liebe und Lebensfreude sehen, das funkelnde Überschäumen meiner Lebendigkeit. Aber wir sind nur wichtig, wenn wir etwas Schreckliches tun. Dann sieht uns jemand, und nur dann. 'Wow', sagte Dylan. 'Das war heftig.' Wir waren in Sicherheit. Der Himmel wurde ganz plötzlich dunkel, so ist das manchmal, die Dämmerung war vorbei. Die Lichter in den hohen Gebäuden ringsum waren Nadelstiche, kleine Löcher in der Welt, die Löcher eines Sicherheitsnetzes, das uns umgibt. Eine Zeit in meinem Leben war vorbei und sie war ziemlich schlimm zu Ende gegangen. Und doch, wie schön, jung zu sein, noch nicht einmal meinen eigenen Körper entdeckt zu haben (was Stunden unter dem Duschkopf der Badewanne schließlich änderten), anderen ausgeliefert zu sein, noch so viel vor mir zu haben und so leicht einen anderen Menschen enttäuschen zu können.

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