Beschreibung
Im Spiegel der Tauromachie gleitet Leiris Beschreibung der Corrida, des Stierkampfes in der Arena, zwanglos in eine Schilderung nahezu heiliger Zeremonien über, in die Beschwörung der mit Verderbnis sich paarenden Schönheit, in einen Versuch über den Tod und die Liebe.
Autorenportrait
Michel Leiris wurde 1901 in Paris geboren. Er identifizierte sich in den 1920er Jahren mit der kulturellen und politischen Revolte der Surrealisten, zuerst in der Gruppe um André Breton, dann an der Seite von Georges Bataille. Nach seinem Studium der Ethnologie (1933-1938) arbeitete er bis 1971 im Musée de lHomme. Reisen führten ihn auf die Antillen, nach China und nach Kuba. Als Autobiograph und Ethnograph, Dichter und Essayist begeisterte er sich für subversive Wortspiele, den Jazz, die Malerei, den Stierkampf wie für die Oper und war zudem ein früher Kritiker von Kolonialismus und Rassismus. 1950 erschien »Ethnographie und Kolonialismus«, die erste kritische Analyse der kolonialen Verstrickung des Faches. Nach Phantom Afrika (1934) spaltete er sein Werk, verfasste die ethnographischen (vor allem afrikanistischen) Arbeiten u.a. über die Geheimsprache der Dogon oder den äthiopischen zar-Besessenheitskult in seinem Büro im Souterrain des Musée de lHomme und die autobiographischen und literarischen Schriften im Schlafzimmer seiner Wohnung. Beide Seiten seines Werks waren dennoch immer aufeinander bezogen. Bei Matthes & Seitz erschienen zwischen 1982 und 1999 die Übersetzungen der vier Bände von Die Spielregel (Streichungen, Krempel, Fibrillen und Wehlaut, dt. von Hans Therre), außerdem der surrealistische Roman Aurora (1979) und Der Spiegel der Tauromachie (1982). Michel Leiris starb 1990 in Paris, seine zentrale literarische Maxime lautete: »Keine schöne Lüge produzieren, sondern eine Wahrheit, die ebenso schön wäre wie die schönste Lüge.« Der Maler, Illustrator, Literat und Bühnenbildner André Masson (1896-1987) studierte an Akademien in Brüssel und Paris und geriet früh in den Kreis der Surrealisten, deren Einfluss er sich jedoch immer wieder zu entziehen wusste. 1942 floh er vor dem Krieg nach New York, von wo er 1946 nach Paris zurückkehrte. Er gilt als wichtiger Einfluss für die Entwicklung des abstrakten Expressionismus. André Masson wird 1896 in Balagny, einem Dorf der Ile de France, als Sohn einer bäuerlichen Familie geboren. Sein Stiefbruder ist der einflussreiche Psychoanalytiker Jaques Lacan. 1904 siedelt er nach Brüssel um, wo er bereits mit 14 Jahren an der Akademie der Schönen Künste studiert. 1912 zieht er nach Paris und wird bei Paul Baudoin an der Ecole Nationale Superieure des Beaux-Arts angenommen. Ein Stipendium ermöglicht ihm 1914 einen Aufenthalt in der Toskana und in Bern. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldet er sich freiwillig zum Kriegsdienst. Eine schwere Verwundung 1917 hat einen mehrmonatigen Lazarett-Aufenthalt zur Folge. Als Masson 1922 nach Paris zurückkehrt, wird er in seiner künstlerischen Arbeit zunächst von André Derrain und dem Kubismus beeinflusst. Bald schon knüpft er allerdings Kontakte zu den Surrealisten und schließt sich 1924 der Bewegung an. Durch die surrealistische Malweise gelingen ihm Einblicke in psychologische Quellen der Kunst. Er fertigt »automatische« Zeichnungen an und illustriert die Schrift La Révolution surréaliste. In der Folgezeit entwickelt er Bilder aus Leim und Sand. 1925 findet die erste Ausstellung der Surrealisten in der Galerie Pierre statt, mit Beteiligung Massons. Ab dem Jahr 1929 distanziert er sich allerdings wieder von der surrealistischen Bewegung. Er verlässt die Gruppe aus Protest gegen den autoritären Führungsanspruch des Dichters und Surrealismustheoretiker André Breton. Masson ist ein enger Freund von Georges Bataille, der zu Beginn der Dreißigerjahre die »dissidenten« Surrealisten um sich sammelt. Masson wirkt maßgeblich bei der von Bataille ins Leben gerufenen Zeitschrift Acéphale mit; ebenso ist er am Collège de Sociologie beteiligt. 1934 siedelt er nach Spanien über, das er bei Ausbruch des Bürgerkriegs wieder verlässt. Er kehrt nach Frankreich zurück und nimmt erneut Kontakt mit den Surrealisten auf. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs flieht Masson vor der Okkupation Frankreichs durch die Deutschen 1942 über Marseille in die USA. Er lebt während des Exils zeitweilig auch auf Martinique, und kehrt gleich nach Kriegsende 1946 wieder zurück nach Paris. Mit dem Surrealismus - vor allem um die Person Breton - bricht er nun endgültig. Fortan beschäftigt er sich besonders mit der Illustration von Büchern und mit Bühnenbildern für das Theater. Diese beiden Bereiche nehmen einen bedeutenden Teil seines künstlerischen Schaffens ein. 1966 fertigt er ein großes Deckengemälde für das Pariser Théatre Odéon. Maßgebend für André Massons nun folgenden Erfolg über die surrealistischen Kreise hinaus werden besonders die offiziellen Institutionen: Er erhält 1954 den Grand prix national des arts und ist ab 1962 offizieller Berater der nationalen Museen Frankreichs. Zwischen 1955 und 1964 nimmt er an den ersten drei documenta-Ausstellungen in Kassel teil. In seiner Kunst beschäftigt er sich fortan immer wieder mit den grausamen Erlebnissen des Ersten Weltkrieges, auch mit Kalligraphie und der chinesischen Zen-Philosophie, bleibt jedoch sein Leben lang dem surrealistischen Geist treu. Obwohl man Masson, insbesondere in den USA, als wichtigen Einfluss für den abstrakten Expressionismus feiert, hat er sich mit seinem Werk nie dem Informel zugewandt, sondern blieb nachdrücklich gegenstandsbezogen.
Leseprobe
"In dieser Bar, bei dieser Mulattin, die ganz gewiss der von Apollinaire erwähnten, die die Poesie erfand, ähnlich ist, habe ich die tiefsten Stunden meines Lebens verbracht. Beim Anhören dieser Lieder, die kaum von anderem als dem Paradies, naiver Liebe und etwa dem Exil handeln, während ich dieser Stimme lauschte, die sich wie ein rauher, aber reiner Pfeil erhob, sich durch das Gebüsch der Luft einen Weg bahnte und wie eine närrische, aber in sicherer Flugbahn gehaltene Feder bis zu den höchsten astralen Schichten stieg, in einer Nacht, deren ich mich Wort für Wort (Auge für Auge möchte ich sagen) erinnere, mit einem Freund trank, der mir von Liebe und vom Unabänderlichen sprach, habe ich begriffen, erfasst, greifbar mit den Händen erfasst, was es ist um diese Ewigkeit, deren Name meist Verzweiflung, manchmal auch Leere ist."