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Hurra, wir dürfen zahlen

Der Selbstbetrug der Mittelschicht

Erschienen am 04.10.2021
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783864899058
Sprache: Deutsch
Umfang: 224 S.
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Ein teurer Irrtum! Die deutsche Mittelschicht schrumpft. Gleichzeitig werden Reiche immer reicher. Der Protest bleibt aus. Stattdessen betreiben Handwerker, Beamte und Angestellte sogar noch ihren eigenen Abstieg, indem sie klaglos zulassen, dass die sogenannten Eliten immer weniger Steuern zahlen. Wie kann das sein? Die Antwort: Die Mittelschicht sieht sich selbst als Teil der Elite - ein teurer Irrtum, der nur den wirklich Reichen nützt. Die Mittelschicht in Deutschland betrachtet sich gerne und immer häufiger als Opfer. Ständig hat sie den Verdacht, sie würde vom Staat ausgebeutet. Doch: Stellt die Mittelschicht nicht die Mehrheit in dieser Gesellschaft? Warum stimmt sie zum Beispiel für Steuergesetze, die die Oberschicht einseitig privilegieren? Warum benimmt sich die Mittelschicht so irrational? Ulrike Herrmann untersucht den bundesdeutschen Alltag, analysiert die wundersame Vermehrung der Milliardäre, die Renaissance des Adels, die Rückkehr der Dienstboten, die Verachtung der Unterschicht und den fatalen Glauben der Mittelschicht, sie sei privilegiert. Aber die Zeit drängt. Findet die Mittelschicht nicht zu einem realistischen Selbstbild, sondern hängt weiter ihrem Elitedünkel an, wird sie auch weiterhin allein für wirtschaftspolitische Fehlentscheidungen bezahlen.

Autorenportrait

Ulrike Herrmann arbeitet als Wirtschaftskorrespondentin bei der "tageszeitung" (taz). Zudem ist sie regelmäßiger Gast im Radio und im Fernsehen. Herrmann ist ausgebildete Bankkauffrau und hat an der FU Berlin Geschichte und Philosophie studiert. Zuletzt erschienen im Westend Verlag ihre Bestseller "Hurra, wir dürfen zahlen" (2010), "Der Sieg des Kapitals" (2013) sowie "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung" (2016).

Leseprobe

Einleitung 1 Der Selbstbetrug der Mittelschicht Die Mittelschicht ist frustriert. 2000 Studenten sollten kürzlich die Frage beantworten, welches Bild die Gesellschaft am besten beschreibt: eine Zwiebel oder eine Pyramide ? Passt noch das Bild von der gemütlichen Knolle - wo es oben und unten ein paar Reiche und Arme gibt, während sich die starke Mitte prall rundet ? Oder ruht inzwischen eine schmale Oberschicht auf einem breiten Sockel von Armut ? Fast alle Studenten entschieden sich für dieses zweite Bild der Pyramide. Das Vertrauen in die Chancengleichheit, lange Zeit zentral für das Selbstverständnis der Bundesrepublik, ist offenbar tief gestört. Die Mittelschicht empfindet, dass sie abgedankt hat. Dieser Pessimismus ist berechtigt: In Deutschland schrumpft die Mittelschicht, wie Sozialerhebungen belegen. Die Reichen werden reicher, während zugleich die Zahl der Armen steigt - und die Mittelschicht verliert nicht nur in der Krise, sondern selbst noch im Boom. Früher konnten sich die Angestellten darauf verlassen, dass ihre Reallöhne stiegen, wenn die Wirtschaft wuchs. Doch beim letzten Aufschwung zwischen 2005 und 2008 galt dieses scheinbar eherne Gesetz nicht länger. Während die Firmengewinne explodierten, stagnierten die Gehälter. Warum aber schrumpft die Mittelschicht ? Warum sinken ihre Gehälter ? Oft wird vermutet, dass der Staat schuld sei, der die Mittelschicht durch Steuern und Sozialabgaben ausplündere. Völlig falsch ist diese Beobachtung nicht. Tatsächlich haben die jüngsten Steuerreformen vor allem die Spitzenverdiener begünstigt, während die Mittelschicht damit allein gelassen wird, die wachsende Zahl der Armen zu finanzieren. Trotzdem bleibt es seltsam, ausgerechnet die Mittelschicht als Opfer des Staates zu bedauern. Denn die Mittelschicht stellt noch immer die weitaus meisten Wahlberechtigten. Ihre Mehrheit wirkt sich an der Urne sogar überproportional aus, weil die Armen ihre Stimme oft gar nicht erst abgeben. Auch die Politik weiß genau, dass Wahlen nur mit der Mittelschicht zu gewinnen sind, weswegen alle etablierten Parteien monoman auf die ' Mitte ' zielen. Die FDP etwa warb im vergangenen Bundestagswahlkampf mit dem Slogan ' Die Mitte stärken '. Die Mittelschicht kann also nicht nur Opfer, sondern muss auch Täter sein. Wenn sie absteigt, dann nur, weil sie an diesem Abstieg mitwirkt. Sie selbst ist es, die für eine Steuer- und Sozialpolitik stimmt, die ihren Interessen völlig entgegengesetzt ist. In Deutschland haben die Wähler sogar mehr Macht als in vielen anderen EU-Staaten: Der Föderalismus sorgt dafür, dass eine Bundesregierung nicht nur alle vier Jahre die Bundestagswahl bestehen muss - sondern zwischendurch auch bei diversen Landtagswahlen abgestraft werden kann, die stets als Stimmungstest gelten und regelmäßig zu Kurskorrekturen führen. Wenn also die rot-grüne Regierung den Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt hat, wovon allein die sehr hohen Einkommen profitierten - dann muss sie geglaubt haben, dass auch die Mittelschicht einverstanden wäre, wenn die Spitzenverdiener ein Milliardengeschenk erhalten. Ähnlich verhält es sich mit der neuen schwarz-gelben Regierung: Wieder werden Steuersenkungen versprochen, diesmal in Höhe von 24 Milliarden Euro, von denen vor allem die Bessergestellten profi-tieren. Gleichzeitig sollen aber die Sozialabgaben steigen, was alle Arbeitnehmer belastet. Die neue Regierung war für die meisten Bürger ein absehbar schlechtes Geschäft - und trotzdem hat die Mehrheit diese ' Koalition der Mitte ' an die Macht gewählt. Warum also stimmt die Mittelschicht immer wieder gegen ihre eigenen Interessen ? Nicht selten wird vermutet, dass Medien und Lobbyisten die Bundesbürger so lange gezielt verwirren, bis sie hörig den Eliten folgen. Und tatsächlich ist der Einfluss von Journalisten und Verbänden enorm - aber grenzenlos ist er nicht. Zeitungen müssen gekauft, Sendungen gesehen und Lobby-Botschaften geglaubt werden. Wer die Interessen ein

Schlagzeile

Ein teurer Irrtum!

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