Beschreibung
Im Kontext der Kreuzzugsbewegung etablierten sich ab dem ausgehenden 12. Jahrhundert im deutschen Kulturraum mittelhochdeutsche lyrische Texte, die auf dieses historische bzw. klerikale Phänomen Bezug nehmen. Sie entwickeln hierbei ein im Minnesang bereits fest etabliertes Motiv, den Abschied von der geliebten Herrin des Sängers, zum Kreuzzugsabschied weiter. Hierdurch geraten zwei Dienstverpflichtungen in Konkurrenz zueinander: der im Minnesang absolut gesetzte Minnedienst gegenüber der Dame und die, aus klerikaler Perspektive ebenso verbindliche Verpflichtung des Kreuzfahrers zum Dienst für Gott. Die Untersuchung prüft, durch welche sprachlichen Verweisstrukturen die Modifikation vom Minne- zum Kreuzzugsabschied in den Liedern umgesetzt wird und ob hierdurch tatsächlich ein signifikant neuer Liedtyp, gar eine eigene Gattung entsteht, wie es in der Minnesangforschung gemeinhin angenommen wird. Zudem werden traditionelle Annahmen der Forschung, auf welche konkreten Kreuzzugsereignisse sich die jeweiligen Lieder vermeintlich beziehen, kritisch hinterfragt. Ferner systematisiert die Untersuchung die klerikalen Argumente, welche in den Texten gegen Minnemotive abgewogen werden, und arbeitet schließlich die in den Kreuzzugsliedern entwickelten unterschiedlichen Lösungsstrategien für die dilemmatische Grundsituation der Lieder heraus. Bemerkenswert ist hierbei die bisweilen kritische Distanznahme der Kreuzfahrer-Rollen im Text, die fast nie bereit sind, der Minne zu Gunsten des Kreuzzugs endgültig zu entsagen.
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Autorenportrait
Stefan Tomasek ist akademischer Oberrat am Lehrstuhl für deutsche Philologie, ältere Abteilung der JMU Würzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Minnesang, mittelhochdeutsche Bibelepik, automatische Texterkennung mittelalterlicher Handschriften, digitale Editionen, Computational Studies für mittelhochdeutsche bzw. frühneuhochdeutsche Texte und mittelhochdeutsche Literatur im Schulunterricht.