Beschreibung
Wut und Haß, ätzende Kritik, boshafte Ausbrüche ins Phantastische, Skurrile und Komische - in Lobo Antunes' Erstling spricht einer, der sich an der Welt reiben muß, um nicht an ihr zugrunde zu gehen. Und in nuce enthält dieser autobiographische Roman, dessen Titel auf die Mutter des Autors zurückgeht - 'Er hat ein Elefantengedächtnis', sagt sie oft über den Sohn -, sämtliche Themen und sprachlichen Techniken des späteren weltweit gefeierten Literaten. Erzählt wird ein Tag im Leben eines Psychiaters in Lissabon und wie er versucht, die verschiedenen Dämonen, die ihn heimsuchen, auszutreiben. Als da sind: die Arbeit in der Irrenanstalt Miguel Bombarda, sinnlos und menschenunwürdig; die Erinnerungen an die Familie, ein Paradebeispiel der portugiesischen Bourgeoisie samt ihrem zuckersüßen und gleichzeitig repressiven Katholizismus; die Ehe, eine geradezu tragische Mischung aus großer Liebe, einer qualvollen Geschichte des Scheiterns als Ehemann und Vater und dem kläglichen Versuch, die Trennung aufzuarbeiten; die Erfahrung im Krieg in Angola, die sich nicht ad acta legen läßt. Am Ende des Tages der Dämonen wird klar, daß es für diesen Mann nur einen Weg geben kann, den Kontakt mit der Welt zu halten: das Schreiben - weil es für ihn gleichbedeutend ist mit der Fähigkeit, am Leben zu sein.
Autorenportrait
António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als zwanzig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den "Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes", den "Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft" und den Camões-Preis.
Leseprobe
Das Krankenhaus, in dem er arbeitete, war dasselbe, in das er als Kind häufig seinen Vater begleitet hatte: ein altes Kloster mit einer Bürgermeisteramtsuhr an der Fassade, ein Hof mit rostigen Platanen, Kranke in Uniform, die, von Beruhigungsmitteln schwindlig, aufs Geratewohl herumstreiften, das breite Lächeln des Pförtners, der die Lippen hochzog, als würde er gleich abheben: Hin und wieder tauchte dieser Jupiter mit seinen wechselnden Gesichtern an der Ecke der Station mit einer Plastikmappe unter dem Arm vor ihm auf und streckte ihm ein fordernd-flehendes Stück Papier hin: - Der Beitrag, bitte schön, Herr Doktor. Scheiß auf die in Polizeiwachen organisierten Psychiater, dachte er immer, wenn er die hundert Escudos im Durcheinander der Brieftasche suchte, scheiß auf die Großtempel der Psychiatrie, auf die aufgeblasenen Etikettierer des Leidens, auf die Schwachköpfe mit der einzig widerlichen Form der Verrücktheit, die darin besteht, auf das Strafgesetzbuch der Lehrbücher gestützt, die Freiheit fremden Wahnsinns zu überwachen und zu verfolgen, scheiß auf die Kunst der Katalogisierung der Angst, scheiß auf mich selber, schloß er, während er das bedruckte Viereck einsteckte, denn ich mache mit, indem ich zahle, anstatt in den Eimern mit dem verbrauchten Verbandszeug und in den Schreibtischschubladen der Ärzte Bomben zu verteilen, um in einem triumphalen Atompilz einhundertfünfundzwanzig Jahre Überwachungsidiotie seit Pina Manique explodieren zu lassen. Der intensiv blaue Blick des Kassierer-Pförtners, der, ohne zu wissen, wie ihm geschah, eine Ebbe des Aufbegehrens erlebte, die über seinen Horizont ging, hüllte ihn in den beruhigenden Heiligenschein mittelalterlicher Engel ein: Eines der geheimen Projekte des Arztes war, mit einem Satz in die Bilder Cimabues zu springen und sich in den verblichenen Ockertönen einer Zeit aufzulösen, die noch nicht von Resopaltischen oder Sãozinha-Heiligenbildchen infiziert war: als strahlender Seraph verkleidet, im Fasanensturzflug an den Knien von heiligen Jungfrauen vorbeizusausen, die auf merkwürdige Weise den Frauen von Delvaux glichen, Schaufensterpuppen nackten Schreckens in Bahnhöfen, die niemand bewohnt. Ein ersterbender Rest Wut kreiselte im Abflußrohr seines Mundes: - Senhor Morgado, wenn Ihnen Ihre eigenen und meine Eier lieb sind, dann nerven Sie mich ein Jahr lang nicht wieder mit diesen beschissenen Beiträgen, und bestellen Sie der Gesellschaft für Neurologie und Psychiatrie und ähnlichen kleinhirnigen Schreibern, daß sie sich mein Geld schön aufgerollt und mit Vaseline versehen dahin stecken sollen, wo sie schon wissen, herzlichen Dank, und das war's, amen. Der Kassierer-Pförtner lauschte respektvoll (der Kerl muß beim Militär der Lieblingsgeheimpolizist des Feldwebels gewesen sein, entdeckte der Arzt) und erfand die Mendelschen Gesetze mit seinem zu zwei Viertel aus Küchenwissen bestehenden Intellekt aufs neue: - Man merkt doch gleich, daß Sie der Sohn vom Herrn Doktor sind, Herr Doktor. Einmal hat Ihr Herr Vater den Aufsichtsbeamten an den Ohren aus dem Laboratorium hinauskomplimentiert. Während er den Blick wieder auf das Buch mit den Eintragungen lenkte und ein Delvauxscher Busen in einer Gedankenecke verflog, wurde dem Psychiater plötzlich klar, welche Bewunderung die kriegerischen Heldentaten seines Erzeugers hier und da in der sehnsuchtsvollen Erinnerung bestimmter grauhaariger Bäuche hinterlassen hatten. Jungs, nannte sie der Vater. Als sein Bruder und er vor zwanzig Jahren im Fußballclub Benfica mit dem Rollhockey anfingen, hatte der Trainer, der mit dem Vater glorreiche Aljubarrotasiege und Hiebe auf den Kopf geteilt hatte, die Trillerpfeife aus dem Mund genommen, um sie ernst zu ermahnen: - Ich hoffe doch, ihr kommt nach João, der, wenn Santos dran war, was austeilen konnte. 1935 sind vom Spielfeld in der Gomes Pereira drei vom Verein Académica da Amadora ins São José eingeliefert worden. Und er fügte leise, in süßer Erinnerung schwelgend hinzu: - Schädelbruch, in ein Leseprobe