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Aminas Briefe

Roman, Tropen

Erschienen am 25.08.2008
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608501001
Sprache: Deutsch
Umfang: 240 S.
Format (T/L/B): 2.5 x 21.5 x 15 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

In 'Aminas Briefe' erzählt Jonas T. Bengtsson, der erfolgreichste dänische Autor seiner Generation, die ergreifende Geschichte einer außerordentlichen Liebe zwischen den Welten. Mit seiner präzisen und eindringlichen Prosa gelingt es Bengtsson, dem Leser ungewöhnliche Figuren nahezubringen, als wären es gute Freunde. Viele Jahre waren für den schizophrenen Janus, der zu Beginn des Romans aus einer psychiatrischen Anstalt entlassen wird, die Briefe seiner kurdischen Klassenkameradin Amina die einzige Verbindung zur Außenwelt. Doch eines Tages bricht der Kontakt ab. Er erfährt, dass seine Freundin mit einem gewalttätigen Kurden verheiratet ist. Und so macht sich Janus auf den Weg. Die Reise führt ihn an die Grenzen seiner Kultur, seines Verstehens und seiner seelischen Möglichkeiten, konfrontiert ihn mit Konflikten und Gewalt.

Autorenportrait

Jonas T. Bengtsson, geboren 1976, lebt in Kopenhagen. 2005 wurde er mit dem Dänischen Debütantenpreis für "Aminas Briefe" ausgezeichnet, 2007 ist sein zweiter Roman "Submarino" erschienen, der 2008 von Thomas Vinterberg ("Das Fest") verfilmt wird.

Leseprobe

Kapitel 4 Ich stehe auf dem Bett und sehe nach unten auf die Briefe. Habe sie auf dem Boden ausgebreitet, jeweils mit einer Handbreit Platz dazwischen. 53 Briefe, ein paar Postkarten. Ich habe mir das genau so vorgestellt. Wollte mir einen Überblick verschaffen. Das Schlafzimmer meines Bruders ist so durchgestylt wie die ganze Wohnung. Hellgraue Wände, ein großer Eichenschrank mit Türen aus sandgestrahltem Glas und ein derartig straffbezogenes Bett, wie man es sonst nur in Hotels findet. Ich sehe nach unten auf die Briefe, die Briefe aus drei Jahren, Aminas Briefe. Sie hat nicht jede Woche geschrieben. Manchmal schon, aber meistens vergingen 14 Tage oder ein ganzer Monat, je nachdem, wie viel sie mit dem Studium oder sonst zu tun hatte. Wenn es lange dauerte, schrieb sie mir immer, warum. Ich habe ihr auch geschrieben, aber nicht so oft. Es gab aus der Klinik nicht so viel zu erzählen, außerdem war es nicht leicht, Ruhe zum Schreiben zu finden. Häufig schaffte ich es nicht, einen Brief zu beantworten, bevor der nächste kam. Und sie kamen, darauf konnte ich mich verlassen. Blieb mal eine Woche einer aus, kam er in der folgenden Woche oder spätestens die Woche drauf, aber sie kamen, immer. Es ist jetzt über ein halbes Jahr her, dass ich den letzten Brief von Amina erhalten habe. Seither habe ich ihre Briefe wieder und wieder gelesen, habe darauf geachtet, ob sich ihre Handschrift verändert hat, ob ihre Worte neue Sätze bilden, wenn man sie von oben nach unten oder von unten nach oben liest. Nach Andeutungen gesucht, nach Bemerkungen. Aber ich habe nichts gefunden. Keine Erklärung, warum sie aufgehört hat zu schreiben. Auf der Station hatte ich gehofft, etwas erkennen zu können, wenn ich mir in aller Ruhe einen vollständigen Überblick verschaffte. Ohne Stress und die ständige Angst, dass plötzlich ein Pfleger in der Tür auftauchte. Ich steige vom Bett und gehe zu der Reihe Briefe, die unmittelbar vor dem Fenster liegt. Sie stammen aus dem ersten Sommer, in dem wir uns geschrieben haben. Ich hebe einen vom Boden auf und beginne irgendwo. Ich hoffe, es geht Dir gut - na ja, gut, so toll läuft es gerade nicht, aber Du kapierst schon, wie ich das meine. Sie haben Dich doch wohl nicht wieder in diese Zwangsjacke gesteckt? Ich weiß, dass das nicht lustig ist, dass ich keine Ahnung habe, wie man sich darin fühlt, aber trotzdem musste ich laut lachen, als ich Deinen Brief las. Meine Schwester steckte ihren Kopf ins Zimmer und fragte, was los sei, weil ich so lachte. Ich finde es unglaublich, wie Du darüber schreiben kannst. Ich musste ihr von den Briefen erzählen. Am Anfang habe ich noch gesagt, meine Freundin Sofie hätte mir geschrieben, aber das hat sie mir nicht abgekauft. Sie hat mich richtig ausgefragt. Heh, du, wer soll denn Sofie sein? Ich kenne keine Sofie. Und warum ruft diese Sofie nie an, warum bringst du sie nicht mal mit nach Hause? Diese Sofie hat doch wohl keinen cük (das ist das türkische Wort für etwas, das Männer haben). Dann musste ich ihr von Dir erzählen, beziehungsweise von unseren Briefen. Weißt Du, was sie gesagt hat? Du bist keine Dänin, vergiss das nicht, du bist keine Dänin, und dann hat sie die Augenbrauen hochgezogen und sah genauso aus wie unsere Mutter. Aber sie ist in Ordnung, sie wird niemandem etwas sagen. Außerdem glaube ich, dass sie ein bisschen neidisch ist. Sie würde auch gern jemandem schreiben. Ansonsten war es in letzter Zeit nicht gerade lustig. Ich hatte ja gehofft, Dir diesen Brief hier aus einem Liegestuhl am Schwarzen Meer schreiben zu können. Aber mein Vater hat noch immer keine Arbeit gefunden, und so mussten wir den Urlaub ausfallen lassen. Er ist ziemlich verbittert, und ich verstehe ihn gut, er hat fast zehn Jahre in diesem Lager für Computerteile gearbeitet, und dann verlegen die es einfach nach Schweden. Sofie. Damals, in jenem Jahr, verwendete ich den Namen Sofie als Absender. Aminas Eltern sind Kurden. Sie hat immer nur

Schlagzeile

Der Shootingstar der dänischen Literatur hat eine große Liebesgeschichte geschrieben - radikal und sensibel zugleich.