Beschreibung
Kabale und Sexismus, Intrigen und Machtmissbrauch in Washington: Präsident Donald Trump hat nach seiner Wahl dem politischen Establishment der USA den Kampf angesagt. Seine Methoden sind brachial und bewegen sich am Rande der Legalität. Wie ist es in dieser Situation um die Widerstandskraft der demokratischen Institutionen bestellt? Sind sie ihrerseits hoffnungslos anachronistisch und können die ihnen einst zugedachten Aufgaben nicht mehr erfüllen? Dieses Buch analysiert grundlegende Fragen des Wahlprozesses, der Regierbarkeit und des sozialen Zusammenhalts in den USA, beleuchtet den aktuellen Zustand der Demokratie und fragt, ob den Vereinigten Staaten ein Rückfall in autoritäre Verhältnisse bevorstehen könnte.
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Autorenportrait
Patrick Horst, Dr. phil., lehrt am Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Universität Bonn. Philipp Adorf, Dr. phil., ist wiss. Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Frank Decker ist dort Professor.
Leseprobe
Vorwort Patrick Horst, Philipp Adorf und Frank Decker Die Gefahr ist groß, sich bei der Analyse der Mängel und Fehlentwicklungen, von denen die amerikanische Demokratie in diesen Tagen geplagt wird, ganz von der Larger-than-Life-Persönlichkeit des Mannes im Weißen Haus gefangen nehmen zu lassen. Eines Mannes, der seine Businesskarriere als Immobilientycoon auf Lug und Betrug aufbaute, der seine Geschäftspartner, zu denen auch die Mafia und korrupte Politiker zählten, über die Jahrzehnte um Milliarden prellte (von den Steuerzahlern ganz zu schweigen), der sich seinen finanziellen Verpflichtungen mit allen Mitteln zu entziehen sucht und der seine Wandlung vom Bauunternehmer zum Reality-TV-Star vollzog, indem er sich der New Yorker Tabloidpresse mit einer Aufdringlichkeit und Schamlosigkeit an den Hals warf, die ihresgleichen suchte. Eines Mannes, der sich mit schönen Models und Miss-America-Kandidatinnen umgab, damit prahlte, sie sexuell genötigt zu haben ("Grab Them by the Pussy"), der sich neben seiner Ehe mit der heutigen First Lady zahlreichen Affären hingab, darunter die Pornodarstellerin Stephanie Clifford ("Stormy Daniels"), der er Schweigegeld bezahlte, damit sie seiner politischen Karriere nicht schadete (was er - natürlich - öffentlich leugnete), und der im Wahlkampf, allem Anschein nach, nicht davor zurück scheute, mit einer feindlich gesinnten ausländischen Macht gemeinsame Sache zu machen, um seine politische Kontrahentin zu beschädigen. Mit den beiden letztgenannten Aktionen sind wir inmitten der Impeachment-Diskussion, welche die Präsidentschaft des Donald J. Trump vom ersten Tage an begleitete. Im Amt hat sich Trump vor aller Öffentlichkeit weiterer Fälle von Machtmissbrauch schuldig gemacht, die den Tatbestand der Justizbehinderung erfüllen, darunter die Entlassung des gegen ihn ermittelnden FBI-Direktors James Comey im Mai 2017, die Diskreditierung seines Justizministers Jeff Sessions und von dessen Stellvertreter Rod Rosenstein, der Sonderermittler Robert Mueller vorsteht, sowie die fragwürdige Anwendung des präsidentiellen Begnadigungsrechts, unter anderen mit dem Ziel, die Mueller-Ermittlungen zu unterminieren. Darüber hinaus sieht Trump die Hauptaufgabe des Justizministeriums darin, den Präsidenten und politische Verbündete gegen juristische Maßnahmen zu schützen. Zusammen mit den Attacken auf die unabhängigen, regierungskritischen Medien (für Trump "Fake News") als "Feinde des Volkes", der fortgesetzten Selbstbereicherung (nicht nur des Präsidenten und seiner Familie, sondern auch herausgehobener Mitglieder der Regierung) im Amt und den systematischen Lügenkampagnen Orwellschen Ausmaßes ist offensichtlich, dass der 45. Präsident der USA das ihm anvertraute öffentliche Amt zu niederen Zwecken missbraucht. Selbst der Vorwurf des Hochverrats scheint mittlerweile nicht mehr zu weit hergeholt zu sein, nachdem Trump im Juli 2018 dem russischen Präsidenten in der Frage der Wahlmanipulationen mehr Glauben geschenkt hat als seinen eigenen Geheimdiensten. Unweigerlich drängte sich der Eindruck auf, dem sich auch zahlreiche Republikanische Parteifreunde des Präsidenten nicht verschließen konnten, Donald Trump sei Wladimir Putin noch einiges schuldig. Es sind mittlerweile eine Reihe von Büchern zum Impeachment des Präsidenten erschienen - und ihr Befund ist nahezu eindeutig: Die Frage ist nicht mehr, ob Trump "Hochverrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen" (Artikel II Abschnitt 4 US-Verfassung) begangen hat - das lässt sich unabhängig davon, wie die Mueller-Investigation ausgehen wird, politisch wasserdicht belegen -, sondern ob nach den Midterm Elections 2018 die politischen Mehrheiten im Repräsentantenhaus vorhanden sein werden, um ihn anzuklagen, und im Senat, um ihn zu verurteilen. Aber selbst, wenn die amerikanische Bevölkerung den Demokraten (und den infrage kommenden Republikanern) die nötigen Mehrheiten aushändigen würde, gilt es immer noch abzuwägen, ob es politisch opportun ist, die amerikanische Demokratie einer weiteren Belastungsprobe und Verfassungskrise auszusetzen. Bei dem bereits vor Amtsantritt Trumps erreichten Grad des politischen Vertrauensverlusts wäre eine Entfernung des in Kenntnis seines schurkenhaften Charakters gewählten Präsidenten aus dem Amt eine Operation am offenen Herzen der amerikanischen Demokratie, deren Ausgang ungewiss wäre. Trump genießt trotz seiner ellenlangen Liste von Verfehlungen und seiner notorischen Lügen nach wie vor eine hohe Popularität unter Republikanischen Parteianhängern, die seiner Amtsführung auch im September 2018 noch zu ungefähr 85 Prozent zustimmten. Ein Blick auf die Beliebtheit der US-Präsidenten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt, dass nach 500 Tagen im Weißen Haus einzig George W. Bush unter den eigenen Parteianhängern ein noch höheres Maß an Zustimmung vorweisen konnte (ein Höhenflug, der sich durch die Auswirkungen des 11. Septembers erklären lässt). Selbst in der amerikanischen Bevölkerung insgesamt unterstützten Trump im September 2018 noch ungefähr 40 Prozent. Das ist nur ein marginal niedrigerer Wert, als ihn Jimmy Carter, Ronald Reagan, Bill Clinton und Barack Obama im gleichen Stadium ihrer Präsidentschaft erreichten. Wie auch immer die amerikanischen Wähler und der Kongress nach den Kongresswahlen in der Frage des Impeachment Trumps entscheiden werden - die Krise der amerikanischen Demokratie geht weit über Donald Trump hinaus und sie geht seiner Wahl zum Präsidenten um viele Jahre voraus. Die Gefahr, die Trump für die amerikanische Demokratie bedeutet, soll damit nicht kleingeredet werden; sie setzt die Frage, ob ein Abgleiten der Vereinigten Staaten in den Autoritarismus denkbar ist, auf die Tagesordnung. Auch dass einige Regierungsmitglieder auf das angenommene Unvermögen ihres Vorgesetzten damit reagieren, seine Vorgaben zu missachten oder gar in Eigenregie ausgearbeitete Lösungen umzusetzen, kann aus demokratischer Perspektive nicht als wünschenswert betrachtet werden. In diesem Sinne muss Trump als ein Brandbeschleuniger der Krise gesehen werden. Er ist aber nicht der Verursacher der Gefährdungen, sondern ihr Symptom. Es sind zum Teil lange zurückreichende Fehlentwicklungen in Politik, Kultur und Gesellschaft, die den Aufstieg des politischen Außenseiters Trump ermöglichten. Auch für den Fall, dass Trump aus dem Präsidentenamt entfernt würde, sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass damit die schwere Vertrauenskrise der amerikanischen Demokratie auf einen Schlag behoben wäre. Dazu sind diese Fehlentwicklungen zu schwer und zu zahlreich - sie betreffen Probleme im Wahlprozess (Auswahl der Präsidentschaftsbewerber, Electoral College, Gerrymandering, Wahlunterdrückung in den Einzelstaaten) genauso wie in der liberalen Ordnung (Imperial Presidency, versagende Checks and Balances, Politisierung der Richterernennungen, Radikalisierung der Republikanischen Partei, Probleme des föderalen Systems, mangelnde parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste, "Fake News") oder Fragen der - manchmal vielleicht nur gefühlten - sozialen und kulturellen Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen (Race, Gender, Class - "The Forgotten Men and Women"). Der vorliegende Band möchte sich diesen komplexeren und komplizierteren Ursachenforschungen der amerikanischen Demokratiekrise jenseits der Person Donald Trumps widmen - wohl wissend, dass einzelne politische Akteure und ganz sicher US-amerikanische Präsidenten einiges an Gutem und Schlechtem für ein Gemeinwesen (im Falle des US-Präsidenten sogar für die Welt) bewirken können, es aber dem wohlgeordneten und funktionierenden Ensemble politischer, gesellschaftlicher und kultureller Institutionen vorbehalten ist, politische Gemeinschaften vor dem Abdriften in den Autoritarismus zu bewahren. Noch so mächtige Einzelpersonen können dies nicht, sie werden nachgerade machtlos, wo sie von einem entschlossen handelnden, demokratisch legitimierten politischen Körper unter Kontrolle gehalten werden. ...