Beschreibung
Gibt es ein Leben vor dem Tod? Über die Dinge im Leben, die wirklich wichtig sind . Die größte Herausforderung für den Menschen ist es, seiner eigenen Sterblichkeit ins Auge zu blicken. Die Angst vor dem Tod unterscheidet den Menschen vom Tier: Jede Religion, jede Kulturleistung ist ein Versuch, sich das Undenkbare begreiflich zu machen. Der amerikanische Psychoanalytiker und Bestsellerautor Irvin D. Yalom nähert sich in diesem Buch einer der größten Fragen der Menschheit sowohl auf der professionellen wie auch auf einer zutiefst persönlichen Ebene. Auch ich fürchte den Tod wie jeder Mensch, schreibt Yalom, er ist unser düsterer Schatten, der sich nicht abschütteln lässt. In seiner praktischen Arbeit hat er andererseits erfahren, wie sehr das Wissen um den nahen Tod bei vielen seiner Patienten zu einer vollkommenen Neuorientierung, ja Bereicherung führte. Wie sie auf einmal in der Lage waren, Entscheidungen zu treffen, die ihnen wirklich am Herzen lagen. In die Sonne schauen ist deshalb nicht nur eine Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens, sondern auch ein Plädoyer für ein bewusstes Leben. Es ist kein düsteres Buch, so Yalom, meine Hoffnung ist vielmehr, dass wir begreifen, wie kostbar jeder Moment ist und wie tröstlich unser Miteinander, wenn wir unserer Endlichkeit, unserer kurzen Zeit im Licht, wirklich ins Auge sehen.
Autorenportrait
Irvin D. Yalom wurde 1931 als Sohn russischer Einwanderer in Washington, D.C. geboren. Er gilt als einer der einflussreichsten Psychoanalytiker in den USA und ist vielfach ausgezeichnet. Seine Fachbücher gelten als Klassiker. Seine Romane wurden international zu Bestsellern und zeigen, dass die Psychoanalyse Stoff für die schönsten und aufregendsten Geschichten bietet, wenn man sie nur zu erzählen weiß.
Leseprobe
Die Wunde der Sterblichkeit Trauer ergreift mein Herz. Ich fürchte mich vor dem Tod. Gilgamesch Selbstbewusstheit ist eine hohe Gabe, ein Schatz, so wertvoll wie das Leben. Sie macht uns menschlich, doch hat sie einen hohen Preis: die Wunde der Sterblichkeit. Unsere Existenz ist für immer von dem Wissen überschattet, dass wir wachsen, gedeihen und unausweichlich welken und sterben werden. Die Sterblichkeit hat uns seit Anbeginn der Geschichte verfolgt. Vor viertausend Jahren reflektierte der babylonische Held Gilgamesch den Tod seines Freundes Enkidu folgendermaßen: 'Du bist dunkel geworden und kannst mich nicht hören. Werde ich nicht wie Enkidu sein, wenn ich sterbe? Trauer ergreift mein Herz. Ich fürchte mich vor dem Tod.' Gilgamesch spricht für uns alle. Wie er den Tod fürchtete, so fürchten auch wir ihn - jeder Mann, jede Frau, jedes Kind. Für einige von uns manifestiert sich die Furcht vor dem Tod nur indirekt, entweder als allgemeine Beunruhigung oder als sonstiges psychologisches Symptom verkleidet; andere Menschen erleben die Angst vor dem Tod sehr deutlich und bewusst; und bei manchen von uns bricht sich die Furcht vor dem Tod Bahn in einer panischen Angst, die jedes Glück und jede Erfüllung zunichte macht. Seit ewigen Zeiten haben grübelnde Philosophen versucht, die Wunde der Sterblichkeit zu bedecken und uns zu helfen, ein Leben in Harmonie und Frieden zu führen. Als Psychotherapeut, der viele Personen behandelt, die an Todesfurcht leiden, habe ich festgestellt, dass die alten Weisheitslehren, vor allem die der antiken griechischen Philosophen, heutzutage nach wie vor relevant sind. Tatsächlich begreife ich in meiner Arbeit als Therapeut nicht so sehr die großen Psychiater und Psychologen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts - Pinel, Freud, Jung, Pawlow, Rorschach und Skinner - als meine intellektuellen Vorfahren, sondern eher die klassischen griechischen Philosophen, speziell Epikur. Je mehr ich über diesen außergewöhnlichen Athener Denker lerne, desto stärker erkenne ich in ihm den protoexistenziellen Psychotherapeuten, und ich werde mich im vorliegenden Werk seiner Gedanken bedienen. Er wurde im Jahre 341 v. Chr., sechs Jahre nach Platos Tod, geboren und starb 270 v. Chr. Die meisten Leute sind mit seinem Namen durch das Wort Epikureer oder epikureisch vertraut, das eine Person bezeichnet, die sich verfeinertem Sinnengenuss verschrieben hat (speziell gutem Essen und Trinken). Doch in der historischen Wirklichkeit plädierte Epikur nicht für sinnenfreudiges Vergnügen - es ging ihm weitaus mehr um die Erlangung der Seelenruhe, der Ataraxie. Epikur praktizierte 'medizinische Philosophie' und beharrte darauf, dass der Philosoph, gleich dem Arzt, der den Körper behandelt, die Seele behandeln muss. In seinen Augen gab es nur ein wirkliches Ziel von Philosophie: das menschliche Leid zu lindern. Und die Grundwurzel des Elends? Epikur glaubte, dass es unsere allgegenwärtige Furcht vor dem Tod sei. Die erschreckende Vision des unausweichlichen Todes, so sagte er, störe die Lebensfreude und lasse keine Freude ungetrübt. Um die Furcht vor dem Tod zu lindern, entwickelte er einige wirksame Gedankenexperimente, die mir persönlich geholfen haben, mich mit der Todesfurcht auseinanderzusetzen, und die das Handwerkszeug liefern, das ich benutze, um meinen Patienten zu helfen. Im Folgenden beziehe ich mich häufig auf diese wertvollen Ideen. Meine persönliche Erfahrung und meine klinische Arbeit haben mich gelehrt, dass die Furcht vor dem Sterben im Laufe des Lebenszyklus schwankt. Bereits im frühen Kindheitsalter können wir nicht umhin, die Anzeichen von Sterblichkeit zu bemerken, die uns umgeben - tote Blätter, Insekten und Haustiere, Großeltern, die verschwinden, trauernde Eltern, endlos große Friedhöfe mit Grabsteinen. Kinder mögen das einfach beobachten, sich fragen und, dem Beispiel ihrer Eltern folgend, Stillschweigen bewahren. Wenn sie ihrer Angst offen Ausdruck verleihen, ist das ihren Eltern spürbar unan Leseprobe