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Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum

Tagebücher 1918-1932 - 2 Bde in Kassette

Erschienen am 01.09.1996
25,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783351023911
Sprache: Deutsch
Umfang: 986 S./893 S.
Format (T/L/B): 12.2 x 22 x 14.1 cm
Einband: Gebunden in Kassette

Beschreibung

Mit einem gefälschten Dienststempel des Wilnaer Soldatenrates entkam Victor Klemperer im November 1918 den Revolutionswirren der zerfallenden Front. Die Rückkehr ins normale Leipziger Leben fällt ihm schwer. Weder im Beruf noch im Privaten gelingt es ihm, Fuß zu fassen. Sein dringendster Wunsch: wieder lehren zu dürfen. Ein Provisorium bietet München, dann endlich kommt der Ruf zum ordentlichen Professor an die Technische Hochschule Dresden. Eine Zeit intensiver wissenschaftlicher Arbeit beginnt, neben der Klemperer minutiös sein Tagebuch weiterführt - "halb ein Muß und halb eine Betäubung". Das Tagebuch wird zum bewahrenden Ort für das, was Klemperer "Leben sammeln" nennt: Notate über Begegnungen und Gespräche, Bilanzierungen seiner Arbeit, Beobachtungen des bürgerlichen Gesellschaftslebens und der Universitätsintrigen, Berichte über seine großen Schiffsreisen nach Brasilien, Spanien, den Mittelmeerländern, sein widerspruchsvolles Suchen in der politischen Landschaft zwischen Revolution, Inflation und aufkommendem Nationalsozialismus. Die Tagebücher reflektieren Klemperers Alltag mit den ständigen Sorgen um Geld und Gesundheit, dem Einzug der Technik - das erste Grammophon, das erste Radio, der erste Flug -, seiner Kinoleidenschaft und zunehmender politischer Depression. Eine der bittersten Erfahrungen seines Lebens, die ihn bis in die NS-Zeit hinein bewegt, notiert Klemperer bereits 1922: "Deutschland in der Idee und die jetzigen Vertreter dieser Idee ist eben zweierlei." Für einen, dem Begriffe wie "national" und "patriotisch" Grundwerte seines Weltbildes bedeuten, bleibt nur der Platz "zwischen den Stühlen". Mit wachsender Zukunftsangst registriert Klemperer die Verfestigung des Antisemitismus seit der Nachkriegszeit, und 1932 gipfelt die Bilanz dieser seismographischen Beobachtungen in der resignierenden Frage: "Und was wird aus mir, dem jüdischen Professor?"

Autorenportrait

Victor Klemperer wurde 1881 in Landsberg/Warthe als achtes Kind eines Rabbiners geboren. 1890 übersiedelte die Familie nach Berlin, wo der Vater zweiter Prediger einer Reformgemeinde wurde. Nach dem Besuch verschiedener Gymnasien, unterbrochen durch eine Kaufmannslehre, studierte Klemperer von 1902 bis 1905 Philosophie, Romanistik und Germanistik in München, Genf, Paris, Berlin. Bis er 1912 das Studium in München wieder aufnahm, lebte er in Berlin als Journalist und Schriftsteller. 1912 konvertierte er zum Protestantismus. 1913 Promotion, 1914 bei Karl Vossler Habilitation. 1914/15 Lektor an der Universität Neapel. Hier entstand eine zweibändige Montesquieu-Studie. Als Kriegsfreiwilliger zunächst an der Front, dann als Zensor im Buchprüfungsamt in Kowno und Leipzig. 1919 o. a. Professor an der Universität München. 1920 erhielt er ein Lehramt für Romanistik an der Technischen Hochschule in Dresden, aus dem er 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen wurde. 1938 begann Klemperer mit der Niederschrift seiner Lebensgeschichte "Curriculum vitae". 1940 Zwangseinweisung in ein Dresdener Judenhaus. Nach seiner Flucht aus Dresden im Februar 1945 kehrte Klemperer im Juni aus Bayern nach Dresden zurück. Im November wurde er zum o. Professor an der Technischen Universität Dresden ernannt. Eintritt in die KPD. 1947 erschien seine Sprach-Analyse des Dritten Reiches, "LTI" (Lingua Tertii Imperii), im Aufbau-Verlag. Von 1947 bis 1960 lehrte Klemperer an den Universitäten Greifswald, Halle und Berlin. 1950 Abgeordneter des Kulturbundes in der Volkskammer der DDR. 1952 Nationalpreis III. Klasse. 1953 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Victor Klemperer starb 1960 in Dresden. Geschwister-Scholl-Preis 1995. Weitere Veröffentlichungen u.a.: "Moderne Französische Prosa" (1923); "Die französische Literatur von Napoleon bis zur Gegenwart", 4 Bände (1925-1931); "Pierre Corneille" (1933); "Geschichte der französischen Literatur im 18. Jahrhundert" (Band 1 1954, Band 2 1966). Aus dem Nachlaß: "Curriculum vitae" (1989), "Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten" Tagebücher 1933-1945 (1995), "Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum" Tagebücher 1918-1932, "So sitze ich denn zwischen allen Stühlen" Tagebücher 1945-1959.