Beschreibung
Sommer 1939: Der junge Lehrer Fritz Kolb und sein Freund Ludwig Krenek erfüllen sich einen Traum. Die begeisterten Bergsteiger organisieren eine kleine Expedition ins Himalaya-Gebirge. Doch schon bald wird das unbeschwerte Abenteuer zu einer unglaublichen Odyssee: Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs werden sie als 'feindliche Ausländer' verhaftet und dürfen Britisch-Indien für viele Jahre nicht verlassen. In 'Einzelgänger im Himalaya' erzählt Fritz Kolb von dieser außergewöhnlichen Zeit in Indien: von der Natur und den Menschen, den Internierungslagern, in denen er während des Krieges festgehalten wurde, den politischen Entwicklungen, Hoffnungen und Sorgen, vor allem um die Daheimgebliebenen. Und natürlich von den Bergen, in denen sich Kolb und Krenek bei jeder Möglichkeit aufhielten. Ein lebendiges und mitreißendes Erinnerungsbuch und der Bericht einer außergewöhnlichen Freundschaft.
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Leseprobe
'Du möchtest also im Monsun auf den Himalayabergen herumsteigen? Die Schulferien fallen in die Zeit der Monsunregen.' Viel mehr sagte er damals nicht, aber ich war darüber nicht beunruhigt, denn ich kannte Ludwig. Der Gedanke würde ihn so schnell nicht mehr loslassen. Wir zogen uns beide in unsere Schulstuben zurück. Ludwig setzte zustimmende Häkchen unter Schlußrechnungen, Gleichungen und Proportionen oder zerschmetterte bei Bedarf mit zornroten Strichen von links unten nach rechts oben eitle Hoffnungen. Ich erklärte mit gewerbsmäßiger Geduld und ohne Aussicht auf Erfolg, wann man ein rundes, wann ein langes und wann ein scharfes S schreibt, daß man zwar 'zugrunde' gehen kann, aber nicht 'zuhause' bleiben darf, weil es 'zu Hause' heißen muß. Viermal wöchentlich gab es für jeden von uns Lichtblicke, das heißt Geographiestunden, da wir beide auch dieses Fach unterrichteten. Einige Tage nach der Unterredung hielten wir nach Unterrichtsschluß sogar eine Geographiestunde für uns selber ab. Ludwig hatte nämlich einen Stoß Landkarten in die Schule gebracht, auf denen er mir mit ziemlich selbstverständlicher Miene das Berggebiet im Himalaya zeigte, das in Betracht kam. Es war ein bisher nur wenig erforschter Gebirgsbereich nördlich von Simla, in einem Eingeborenenstaat namens Lahul gelegen, gegen den Monsun durch eine vorgelagerte Fünftausenderkette abgeschirmt, mit einer höchsten Erhebung von 6500 Metern. Dieser Berg lag ziemlich in der Mitte des Gebietes, war trigonometrisch vermessen, hatte auf der Karte keinen Namen, und seine Besteigung war noch nie versucht worden. Der Anmarsch mochte von Bombay aus acht Tage in Anspruch nehmen, die Schulferien konnten für eine solche Reise ausreichen. Wir schritten zur Tat. Es war nicht einfach, vier englische Kameraden aufzutreiben, die sich die teure Reise leisten konnten. Wir schrieben an viele, ehe wir Erfolg hatten. 'Wenn ich von Brot und Käse lebe und dies zwei Jahre lang durchhalte, werde ich das Geld vielleicht aufbringen', schrieb Johnny, den wir von Schifahrten in Tirol her kannten. Sein richtiger Name war Robey Johnson, und er war Mittelschullehrer in London. Frank S. Hollick, Assistent an der Universität Cambridge, ein Freund Ludwigs, meldete sich als zweiter; die Lehrerin Hilda Richmond aus Leeds war dritte. Wir gewannen sie für die Idee anläßlich einer Besteigung der Meije in den Französischen Alpen. Ein vierter, der viel alpine Erfahrung hatte, fiel im letzten Augenblick aus, und statt ihm trat der damals zwanzigjährige Student Donald Comber aus Windsor ein, dem Papa das Geld vorschoß. Obgleich wir schon 1937 zu sparen begannen, hatten wir erst im Sommer 1939 die nötigen Mittel beisammen, und unsere Hauptgruppe reiste erst im August jenes Jahres von Venedig ab. So war es unvermeidlich, daß der Krieg schon wenige Wochen später dem friedlichen Forschen und Bergsteigen in Asien ein vorzeitiges Ende bereitete. Ludwig und ich wurden verhaftet und verbrachten viereinhalb Jahre in verschiedenen Lagern Indiens, größtenteils hinter Stacheldraht. Anfang 1944 kamen Bestimmungen heraus, auf Grund derer wir entlassen werden konnten, falls wir Arbeit fanden. Das Schicksal warf uns siebzehnhundert Kilometer auseinander, Ludwig nach Udaipur im Norden, mich in die Nähe Maduras im äußersten Süden. Wir arbeiteten beide als Lehrer. Schon 1945 fuhren wir wieder in den Himalaya, getrennt, da unsere Schulferien nicht zusammenfielen. Ein Jahr später war es noch immer unmöglich, in die Heimat zurückzukehren, wie denn überhaupt für uns Wiener aus der für drei Monate geplanten Reise ein neun-, ja dreizehnjähriger Aufenthalt in Indien wurde.