Beschreibung
Asher Ellis kann es nicht fassen. Der reiche Viehbaron Eli Dearing hat seine Familie vor die Tür gesetzt. Er will Gerechtigkeit. Und Akteneinsicht. Dafür ist ihm jedes Mittel recht, auch ein Einbruch. Aber er wird unterbrochen und versucht zu entkommen. Auf der Flucht schrillt der Schrei eines ertrinkenden Jungen durch die Nacht. Er muss sich entscheiden: Will er seine Haut retten oder das Leben des Kindes? Oder geht vielleicht auch beides? Samantha Dearing ist eine unabhängige junge Frau, die sich mit aller Macht gegen die Heiratspläne ihres Vaters wehrt. Als sie eines Abends beobachtet, wie ein Fremder offenbar ohne Beute aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters flieht, ist ihre Neugier geweckt. Sie nimmt den einzigen Hinweis auf seine Identität - seinen Stiefel - an sich und beschließt, den Unbekannten ausfindig zu machen.
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Leseprobe
Palo Pinto, Texas, 1889 Sie war erst seit zwei Wochen von der Schule zurück und wieder zu Hause. Und schon versuchte ihr Vater, sie zu verheiraten. Samantha Dearing kochte innerlich, während sie die Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters aufriss und eintrat. Ihre verstorbene Mutter hatte ihr eingetrichtert, dass man als Dame niemals die Stimme erhebt oder sich öffentlich an Meinungsverschiedenheiten beteiligt. Nur deswegen hatte Samantha darauf verzichtet, ihrem Vater den Krug mit Bowle über den Kopf zu schütten oder einen gehörigen Wutanfall zu bekommen, als sie den eigentlichen Grund für das Fest heute Abend durchschaut hatte. Nein, sie war mit einem Lächeln im Gesicht auf den mächtigen und einflussreichen Eli Dearing zugegangen, hatte geduldig gewartet, bis er sein Gespräch mit einem der vermögenden Junggesellen beendet hatte, die er zur Willkommensfeier seiner Tochter eingeladen hatte, und ihn freundlich zu einem kurzen Gespräch unter vier Augen gebeten. Der Seidenrock ihres himmelblauen Ballkleids raschelte laut, während Samantha an der Sitzecke im Arbeitszimmer ihres Vaters vorbeirauschte und zu seinem Schreibtisch ging. Sie war dermaßen aufgebracht und machte so große Schritte, dass die Nähte ihres engen Rocks zu reißen drohten und die Tournüre über der Schleppe ein wenig aus der Balance geriet. Sie richtete ihre volle Aufmerksamkeit - und ihren ungezügelten Ärger - auf ihren Vater. 'Ich lasse mich doch nicht an den Höchstbietenden verkaufen!' Ihr Vater runzelte die Stirn und machte die Tür zu. 'Sprich leiser!' 'Selbstverständlich.' Sie deutete einen alles andere als ehrerbietigen Knicks an. 'Was immer der Rinderkönig gebietet.' Er kniff die Lippen zusammen. 'Ich weiß nicht, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist, Samantha, aber ich erwarte von dir, dass du respektvoll mit mir sprichst.' 'Und im Gegenzug erwarte ich, respektvoll behandelt zu werden.' Ein bedrohliches Funkeln flackerte in den stahlblauen Augen ihres Vaters auf. 'Hat sich einer unserer Gäste unanständig verhalten?' Die Frage war von einem gefährlichen Knurren begleitet. Sie zügelte sich ein wenig und gab sich Mühe, etwas sanfter aufzutreten. 'Nein, Dad. Niemand hat sich unanständig verhalten. Aber die Herren, die du zu dieser kleinen Feier eingeladen hast, haben anscheinend den Eindruck, ich wäre nach Texas zurückgekommen, um einen Ehemann zu finden. Offenbar sind sie alle fest entschlossen, sich für diese Position zu bewerben, denn am laufenden Meter rattern sie ihre Vorzüge herunter, so als wären sie ein Stoff, aus dem mein nächstes Ballkleid geschneidert werden soll: die teure importierte Spitze, die meinen gesellschaftlichen Status verbessern würde. Die weiche, blaue Seide, die perfekt zu meinen Augen passen würde. Der praktische Popelin, der strapazierfähig ist und trotzdem eine gewisse Eleganz verleiht.' Inzwischen sah ihr Vater sie nicht mehr so angriffslustig an, sondern eher verwirrt. 'Warum erzählst du jetzt etwas von Kleiderstoffen? Sag klar, was du meinst, Sam.' 'Du willst also, dass ich klar sage, was ich meine?' In ihren Fingerspitzen kribbelte es und sie spürte eine ungewohnte Energie. So kühn war sie ihrem Vater gegenüber noch nie aufgetreten. In ihr tobte ein Kampf zwischen einem spürbaren Hochgefühl und einer unverkennbaren Angst, aber wenn je eine Situation ihren bedingungslosen Mut erfordert hatte, dann diese. 'Ich lasse mich nicht zu einer Ehe zwingen, nur damit du deinen Einflussbereich erweitern kannst.' Als plötzlich die Augen ihres Vaters finster funkelten, wäre sie beinahe zurückgewichen, aber sie ballte die Fäuste und bot ihm die Stirn. Dad hatte zwar vor einigen Jahren die fünfzig überschritten, aber er war immer noch auf dem Höhepunkt seiner Kraft. Groß. Muskulös. Einschüchternd, wenn er wütend war. Aber nie brutal. Das wusste sie, darum war sie auch mutig genug, sich nicht unterkriegen zu lassen, obwohl sie bei seinem finsteren Blick innerlich zitterte. 'Siehst du ein Gewehr in meinen Händen?' Er hielt ihr seine Handflächen hin, die leer waren. Bei dieser Bewegung kamen seine von der Sonne gebräunten Handgelenke zum Vorschein. Er trug zwar einen eleganten Anzug, aber trotzdem war er ein Mann, der sich viel im Freien aufhielt und hart arbeitete. 'Niemand zwingt hier irgendjemanden zu irgendetwas. Das ist lediglich eine Feier.' Sie sagte kein Wort, sondern hob nur das Kinn. 'Also gut! Vielleicht habe ich meine Bekannten wissen lassen, dass meine Tochter aus Boston zurückkommt und dass ich auf eine gute Partie für sie hoffe. Was ist denn so schlimm daran? Es ist die Aufgabe eines Vaters, sich darum zu kümmern, dass seine Tochter gut versorgt ist.' Er marschierte auf den großen Mahagonischreibtisch zu, an dem er alles Schriftliche erledigte. 'Du bist jetzt neunzehn, Samantha. Die meisten Mädchen, die so hübsch sind wie du, sind bereits verheiratet und damit beschäftigt, eine Familie zu gründen.' Da hatte er nicht unrecht, aber recht hatte er auch nicht. Samantha verschränkte die Arme, sodass sich ihre langen, weißen Handschuhe über ihren Ellbogen spannten. 'Die Entscheidung, mit wem ich mein Leben verbringen will, sollte ich treffen und nicht du.' Er lehnte sich an seinen Schreibtisch und seufzte laut. 'Ich habe nie behauptet, dass du das nicht selbst entscheiden dürftest. Ich tue doch im Grunde genommen nichts anderes, als die Bullen zusammenzutreiben, damit du sie begutachten und dir den aussuchen kannst, der dir gefällt.' Allein schon diese Vorstellung fand sie widerlich! 'Ja, nun, die Bullen, die du zusammengetrieben hast, haben alle eins gemeinsam: Sie sind reich und auf dem Rindermarkt sehr erfolgreich. Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass es dir weniger um mein persönliches Glück geht als darum, welche Vorteile meine Ehe deinem Ranch-Imperium bringen würde.' Ihr Vater runzelte die Stirn. 'Du glaubst wirklich, du würdest alles durchschauen, was? Bin ich denn ein kaltherziger Geschäftsmann, der sich nur für Profit interessiert und bereit ist, seine Tochter dem Höchstbietenden in den Rachen zu werfen?' Nun ja. War es nicht so? Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und sah plötzlich so alt aus wie noch nie. Sie war verunsichert. 'Ich gebe ja zu, dass ich herzlich wenig Ahnung davon habe, wie man ein Mädchen erzieht. Wahrscheinlich habe ich jede Menge Fehler gemacht, besonders, seit deine Mutter nicht mehr bei uns ist, aber ich habe in meinem ganzen Leben immer nur das Beste für dich gewollt.' Er deutete mit dem Finger zur Tür. 'Dieser Ballsaal ist voll mit Rinderzüchtern und Investoren, weil ich diese Männer in den letzten zwei Jahrzehnten beobachten konnte. Ich weiß, wer ein Ehrenmann ist und wer ein Gauner. Ich weiß, wer in schweren Zeiten Rückgrat zeigt und wer den leichten Weg sucht. Ich weiß, wer Gott nur mit den Lippen bekennt und wer ihn mit seinem Leben ehrt. Ich habe die besten aus der Herde ausgesondert und sie an diesem Abend eingeladen, damit sie die Tochter kennenlernen, die mir wichtiger ist als alle Rinder in Texas, aber sie ist anscheinend zu sehr damit beschäftigt, ein vorschnelles Urteil zu fällen und um sich zu schlagen, anstatt sich auch nur einen von ihnen genauer anzusehen.' Samantha wich unsicher zurück, als sie seine Enttäuschung spürte. Es war wie ein Stich ins Herz. Sie hatte gedacht, sie hätte ein dickes Fell und wäre an seine ablehnende Haltung gewöhnt, sodass nichts, was er sagte oder tat, sie noch verletzen konnte. Doch das war ein Irrtum gewesen! Die Tränen schossen ihr in die Augen und sie bemühte sich darum, sie zurückzublinzeln. Hatte sie seine Motive falsch eingeschätzt? Hatte er wirklich nur ihr Bestes im Sinn? Sein selbstherrliches Verhalten ärgerte sie noch immer. Kein einziges Mal hatte er sie nach ihrer Meinung oder ihren Wünschen gefragt. Trotzdem konnte sie nicht behaupten, dass er bei der Suche nach einem passenden Mann anders vorging als die Väter ihrer Schulkameradinnen im Osten. Arrangierte Ehen waren in gehobenen Kreisen an der Tagesordnung. Sie dienten der Fami...