Beschreibung
Britisch-Kolumbien 1862: Arabella Lawrence ist mit dem Brautschiff nach Kanada gekommen, um einen Neuanfang zu wagen. Obwohl sie aus einer wohlhabenden Familie stammt, hatte sie gute Gründe, ihre Heimat zu verlassen - ihre Narben erinnern sie jeden Tag daran. Als eine der wenigen noch unverheirateten Frauen in der Kolonie hat sie gleich zwei Verehrer, die nicht unterschiedlicher sein könnten: der eine ein angesehener Leutnant, der andere ein einfacher Bäcker. Allerdings gehen ihre Ansichten zum Umgang mit den Ureinwohnern während der Pockenepidemie weit auseinander. Als Arabella schließlich ein Mädchen findet, das von seinem Stamm zurückgelassen wurde, gerät sie in eine äußerst schwierige Lage.
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Autorenportrait
Jody Hedlund lebt mit ihrem Mann, den sie als ihren größten Fan bezeichnet, in Michigan. Ihre fünf Kinder werden zu Hause unterrichtet. Die Zeit, die ihr neben dieser Tätigkeit noch bleibt, widmet sie dem Schreiben.
Leseprobe
Kapitel 1 Vancouver Island 18. September 1862 Heute würde sie vielleicht ihrem künftigen Mann begegnen. Aufrecht und äußerlich ruhig und beherrscht, wie es sich für eine Dame ziemte, stand Arabella Lawrence auf dem Hauptdeck des Schiffs, obwohl sie bei der Vorstellung, möglicherweise bald den Mann zu sehen, den sie heiraten würde, fast in Ohnmacht fiel. Genau wie die anderen Frauen warf sie verstohlene Blicke zu den obersten Sprossen der Leiter und wartete gespannt. Nach gut hundert Tagen an Bord des Brautschiffs hätte sie für diesen Moment eigentlich gewappnet sein müssen. In den langen, eintönigen Tagen auf dem Meer hatte sie reichlich Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Aber jetzt, da sie vor Vancouver Island angelegt hatten, war ihre ganze Unsicherheit zurück. Sie öffnete ihren Fächer und kühlte ihr Gesicht. Die Meeresluft war mild für September und immer noch vom starken Fischgeruch der Lachse durchdrungen, die die indianischen Ureinwohner am Vorabend verkauft hatten, nachdem das Schiff in der Esquimalt Lagoon vor Anker gegangen war. In der Abenddämmerung war der Anblick der langen Einbäume, die über das Wasser geglitten waren, beängstigend gewesen, denn in jedem der langen Boote hatten mehrere dunkelhäutige Menschen mit langen schwarzen Haaren gesessen. Einige Damen hatten sich angsterfüllt zusammengekauert und befürchtet, sie wären um die halbe Welt gefahren, um jetzt von Kannibalen enthauptet und verspeist zu werden. Die Schiffscrew hatte die Frauen beruhigt und ihnen erklärt, dass die Indianer keine bösen Absichten verfolgten. Wenn sie einen Angriff planen würden, säßen in den Einbäumen bis zu den Zähnen bewaffnete Männer mit schwarz bemalten Gesichtern. Doch die halb nackten Männer, Frauen und Kinder hatten das Schiff nicht mit Waffen, sondern mit Fisch begrüßt. Jetzt war von den Indianern keine Spur zu sehen und die heutigen Besucher waren in Langbooten aus der Stadt gekommen und trugen elegante Anzüge und Zylinder. 'Sie müssen sich dem Begrüßungskomitee von Ihrer besten Seite zeigen', ermahnte die Leiterin der Gruppe, Mrs Robb, die Frauen. Sie hatte am Morgen alle angewiesen, sich sauber anzuziehen und frisch zu machen, bevor sie den angesehenen Herren der Stadt vorgestellt wurden, die aus Victoria kamen, um die künftigen Bräute zu begrüßen und frische Lebensmittel zu bringen. Auf der Backbordseite des Schiffs spiegelten sich der Pinienwald und die Felsen im glasklaren Wasser der Lagune. Auf der anderen Seite erhoben sich über der Juan-de-Fuca-Straße die schneebedeckten Gipfel der Olympic Mountains. Arabella war fasziniert von dem atemberaubenden Anblick. Sie hätte nichts dagegen, jeden Morgen von diesem Panorama begrüßt zu werden. Ein lauter Ruf von Steuerbord und das metallene Klirren der Leiter ließen sie stockend einatmen. 'Stellen Sie sich bitte in einer ordentlichen Reihe auf!', forderte Mrs Robb die Frauen auf und klatschte in die Hände. Die groß gewachsene, ernste Matrone war schon bei Antritt der Fahrt dünn gewesen, aber jetzt bestand sie nur noch aus Haut und Knochen; ihre Wangen waren eingefallen und ihr Haar wirkte stumpf und matt. Alle Passagiere hatten unter der langen Fahrt gelitten und Gewicht verloren. Arabella berührte eine Strähne ihres langen kupferroten Haars. Jeden Abend vor dem Schlafengehen hatte sie es mit hundert Strichen gebürstet und sich auch sonst bemüht, während der Überfahrt auf ihre Körperpflege zu achten. Da sie sich in den letzten drei Monaten nur mit einem Schwamm hatte reinigen können und die Möglichkeiten zum Haarewaschen sehr eingeschränkt gewesen waren, waren ihre dichten Locken jedoch sehr widerspenstig geworden. Hinzu kam, dass sich ihre Sommersprossen trotz ihrer Bemühungen, die Sonnenstrahlen zu meiden, zahlreich auf ihrer Nase und ihren Wangen ausgebreitet hatten und deutlich zu sehen waren, obwohl sie Reispuder aufgetragen hatte. Nicht nur ihr Haar und ihre Sommersprossen waren ein Pro-blem, auch ihre Kleider standen ihr nicht mehr so gut wie noch vor