Beschreibung
Die Debatte um die sogenannte Clankriminalität hat seit Jahren Konjunktur. Ein immer weiter wachsendes Gefuge aus polizeilichen Maßnahmenkatalogen, Medienberichten, Entertainmentformaten und (pseudo-)wissenschaftlichen Beiträgen fantasiert eine Bedrohung herbei, gegen die hart durchgegriffen werden soll. Die Konsequenz sind Razzien, rassistische Kontrollen und Kriminalisierung in migrantischen Stadtteilen, die als Problembezirke gebrandmarkt werden; der falsche Familienname genugt, um auf polizeilichen Verdachtslisten zu landen. Politiker*innen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und anderswo profilieren sich mit Null-Toleranz-Strategien gegen 'kriminelle arabische Großfamilien' - und tragen damit eine Mitverantwortung fur rassistische Morde wie in Hanau. Während 'Clankriminellen' vorgeworfen wird, keinen Respekt vor dem Rechtsstaat zu haben, werden im Zuge ihrer Bekämpfung gleich mehrere Grundprinzipien von Rechtsstaatlichkeit uber Bord geworfen. Dieses Buch unternimmt erstmals eine kritische Bestandsaufnahme der Clan-Debatte aus kriminologischen, rechtswissenschaftlichen, soziologischen und feministischen Perspektiven: Wer ist gemeint, wenn von Clans gesprochen wird? In welcher Tradition stehen Kriminalisierungsstrategien im Umgang mit Migration in Deutschland? Welche orientalistischen Stereotype sind in der Clan-Debatte am Werk, und welche Folgen hat die Stigmatisierung fur die betroffenen Menschen? Mit Beiträgen von Ozan Zakariya Keskinkiliç · Vanessa E. Thompson · Mohammed Ali Chahrour · Britta Rabe · Fariha El-Zein · Michèle Winkler · Jorinde Schulz · Niloufar Tajeri · Laila Abdul-Rahman · Çagan Varol · Ria Halbritter · Levi Sauer · Lina Schmid · Céline Barry · Melly Amira · Elisabeth Winkler · Simin Jawabreh · Guillermo Ruiz · Tobias von Borcke · Mitali Nagrecha · Anthony Obst · Ahmed Abed · Biplab Basu · Parto Tavangar
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Hersteller:
Edition Nautilus GmbH
Katharina Picandet
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Autorenportrait
Die Herausgeber*innen beschäftigten sich seit einigen Jahren aus verschiedenen aktivistischen und menschenrechtlichen Zusammenhängen heraus mit Politik und Polizeipraxis rund um den Mythos Clankriminalität. Tragende Säulen der Zusammenarbeit sind die Kampagne fur die Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP Berlin), die Neuköllner Initiative Kein Generalverdacht und das Komitee fur Grundrechte und Demokratie.
Leseprobe
'Clankriminalität' ohne Rassismus zu denken funktioniert nicht. Verwandtschaftsverhältnisse können zwar die Basis bestimmter Organisationsstrukturen sein, doch eine (herkunftsunabhängige) Definition fur organisierte Kriminalität gibt es bereits. Warum daruber hinaus die Notwendigkeit einer eigenen Definition, Registrierung und Verfolgung im Bereich der Allgemeinkriminalität und Ordnungswidrigkeiten besteht, ist mehr als erklärungsbedurftig. Die Frage ist dabei nicht, ob es in arabischen, kurdischen, palästinensischen, turkischen Familien Kriminalität gibt, die Frage ist eher, warum sie anders behandelt wird als weiß-deutsche Kriminalität. Denn wenn das maßgebliche Unterscheidungskriterium die Abstammung ist, dann liegt nichts anderes als Rassismus vor. Das Spezielle an den 'Clankriminellen' soll vor allem die Abschottung und Ablehnung des Rechtsstaats sein. Denn wer kennt sie nicht, die 'biodeutschen Kriminellen', die dem Rechtsstaat tagtäglich die Ehre erweisen, gerne mit der Polizei zusammenarbeiten, sich dankbar einem Gerichtsverfahren stellen und Streitigkeiten untereinander niemals außerhalb des offiziellen Rechtssystems klären. Eigentlich braucht man keine Forschung, um zu merken, dass Menschen, die Straftaten begehen, nicht so gut mit dem Rechtsstaat harmonieren (.). Forschung braucht man aber dann doch, wenn man behaupten will, dass die gesamte Familie, egal wie entfernt, im strafrechtlichen Sinne mitverantwortlich ist fur diese Kriminalität, und in jedem Parkverstoß eines Familienmitglieds den Ausdruck der Ablehnung des Rechtsstaats zu erkennen meint.