Beschreibung
Wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs ändert der siebenjährige Karl vom Bühelstein - als Flüchtling wegen seines Namens von den Mitschülern einer Dorfschule in einem entlegenen Tiroler Bergtal gehänselt - seinen Namen in Veit Troyer. Der Bub ist freilich weit davon entfernt, die richtungsweisende Kraft dieser Spaltung seiner Person zu erkennen. Als Sohn überzeugter Nationalsozialisten wird er erst im Lauf der folgenden Jahre die Unumgänglichkeit der Trennung vom Gedankengut der Eltern erkennen, ohne die durch die Ereignisse der Kriegs- und Nachkriegsereignisse ausgedünnten Familienbande, vor allem die Liebe zur Mutter, zu verlieren. Der vielfach auf eigenem Erleben fußende Roman, der den Zeitraum vom "Anschluss" bis zum Abzug der Besatzungsmächte aus Österreich umfasst, zeichnet exemplarisch eine einzelne der Millionen im Weltgeschehen scheinbar unbedeutenden Familiengeschichten nach, die in ihrer Gesamtheit nicht weniger als den Bogen für Aufstieg und Fall des Dritten Reichs und seiner Verbrechen spannten. Mit großer Offenheit, eindringlich und bildreich erzählt, beleuchtet dieses Buch eine oft ängstlich umgangene Zeit in der jüngeren Geschichte Österreichs.
Autorenportrait
Peter Steiner, 1937 in Baden bei Wien geboren, wo er nach einer langen Karriere als Geologe in aller Welt heute als freier Schriftsteller lebt. Zuletzt erschienen: "Der Sandfallenbauer" (Roman, 2014), "Wenn mein Vater Polnisch spricht" (Roman, 2016), "Das Schweigen der Meere" (Roman, 2018)
Leseprobe
Obwohl nicht alle vermissten Männer, Väter und Söhne, heimkehrten, waren die französischen Kriegsgefangenen dennoch alle nach Hause gefahren, viele Bäuerinnen wieder allein im Stall und auf dem Feld. Veit denkt vor allem an den einen Franzosen, der nach dem Endsieg oder Zusammenbruch auf dem Bretterstoß neben der Milchablieferstelle gesessen war, in Sichtweite des Kriegerdenkmals, und auf seiner Mundharmonika etwas spielte, in dem eine fremde Ferne, oder ferne Heimat, anklang, wie im Schrei der gerade eingetroffenen Schwalben, die wie im Rhythmus dazu den Kirchturm umkreisten. Immer wieder, sein ganzes Leben lang, würde er daran denken müssen, wie er das Ansinnen des Mannes, aus dessen Augen die Zuversicht auf ein neues Leben blitzte, mit ihm vor dem Kriegerdenkmal in den Frieden zu tanzen, erschrocken abgelehnt hatte und nach Hause gerannt war.