Beschreibung
Der andere Günther Rühle: "Ich suche mich, indem ich's hinschreibe."
Vom fortschreitenden Verlust des Augenlichts gezeichnet und nachdem er die Vollendung des dritten Bandes seiner Geschichte des "Theaters in Deutschland" hat aufgeben müssen, beginnt Günther Rühle im Alter von 96 Tagebuch zu führen. Die Eintragungen, ein halbes Jahr umfassend, fangen im September 2020 an und enden im April 2021.
Rühle bekennt in seinen Tagebüchern, dass er in gut siebzig Jahren publizistischer Arbeit und nach "zigtausenden hingetippten Sätzen von mindestens 900 Kilometern Länge" versäumt habe, über sich selbst nachzudenken. "Am Rand des Lebens" angekommen, horcht er nun in sich hinein: Im Selbstgespräch ist er sich selbst der Stoff und beginnt, ins "Blinde" zu schreiben, denn lesen kann er die Zeilen nicht mehr.
Die Fragmente langer Tage und unruhiger Nächte schreiben sich in sein Tagebuch ein; verdrängte Gedanken und Gefühle, Eingebungen und Träume "Bilder aus dem Dunkeln des Vergessens", in denen die Erinnerungen an die Kindheit, den Krieg, den Nationalsozialismus ebenso eine Rolle spielen wie die Rückblicke auf seine journalistische Arbeit (FAZ, Tagesspiegel), die Arbeit als Theaterintendant und prägende Lebensbegegnungen (u.a. Bernhard Minetti, Martin Wuttke, Einar Schleef).
Und natürlich immer gegenwärtig: das Nachdenken über das "Altern im Alter". Darf man noch gespannt sein auf die Zukunft, wenn man bei wachem Geist der "körperlichen Abrüstung" zuschauen muss? Eine endgültige Antwort gibt es nicht: "Die Gefühle lösen einander ab. Morgens in sich gespalten, wünscht man sich das Ende und greift noch nach dem Leben. Zweimal und oft am selben Tag."
Der forschend aufspürende Theaterhistoriker ist diesmal sich selbst auf der Spur und muss in seinen Aufzeichnungen festhalten: "Ich treffe immer öfter auf einen Unbekannten, der doch Ich war."
Autorenportrait
Gunther Ruhle, einer der angesehensten deutschen Theaterkritiker und Theaterschriftsteller, wurde 1924 in Gießen geboren. Er war von 1960 bis 1985 Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seit 1974 auch dessen Leiter. 19851990 war er Intendant des Schauspiel Frankfurt und danach Berater der Herausgeber des Tagesspiegel in Berlin. Er edierte u. a. die Werke von Marieluise Fleißer und von Alfred Kerr, entdeckte dessen "Berliner Briefe". Seine großen Dokumentationen "Theater fur die Republik. 19171933" und "Zeit und Theater 19131945", dann seine zusammenfassende Darstellung "Theater in Deutschland. 18871945" wurden grundlegend fur Erforschung und Nacherleben des Theaters jener Zeit. Gunther Ruhle ist Ehrenpräsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Kunste, war Präsident der Alfred Kerr Stiftung und ist heute deren Ehrenpräsident. Er wurde ausgezeichnet mit dem Theodor-Wolff-Preis (1962), dem Johann-Heinrich-Merck-Preis (2007), dem Hermann-Sinsheimer-Preis (2009), dem Binding-Kulturpreis (2010) und der Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille (2013).
Gerhard Ahrens, geboren 1944, war nach dem Studium an der FU Berlin bei Peter Szondi und an der Universite Paris 8 Vincennes-Saint-Denis als Kurator fur moderne Kunst an der Kestner Gesellschaft Hannover, dann in der Kunstlerischen Leitung am Schauspiel Frankfurt, Schiller Theater Berlin und bis 2000 an der Berliner Schaubuhne tatig. Seit 1993 daneben auch als kunstlerischer Berater fur das Kunstfest Weimar, die Stiftung Schloss Neuhardenberg und die Movimentos Festwochen in Wolfsburg. Zahlreiche Ubersetzungen und Publikationen uber Theater und Bildende Kunst im XX. und XXI. Jahrhundert. Er lebt in Berlin.
Inhalt
Gunther Ruhle:
Ein alter Mann wird älter
Anmerkungen
Anhang
Editorische Notiz
Gunther Ruhle Leben und Werk
Gunther Ruhle Bibliographie
Nachwort
Gerhard Ahrens:
Der andere Gunther Ruhle
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