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Jan Köchermann: Wand

Erschienen am 05.06.2015
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783864851001
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S.
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Nach 305 Ausstellungen, die die Städtische Galerie Delmenhorst, Haus Coburg, seit 1974 präsentierte, erzwang der Hamburger Künstler Jan Köchermann mit seiner radikalen Installation "Wand" eine Pause des Ausstellungsbetriebs. Das pittoreske Haus Coburg war von einer hohen weißen Wand umgeben; Sockel- und Erdgeschoss waren verschwunden. Eine Ausblendung, eine Fehlstelle im Realen. Photoshop live. Das Publikum staunte nicht schlecht - und blieb außen vor. Nur, wer die imposante Setzung umrundete, entdeckte eine Hintertür mit einer Kammer, die zum Kontemplieren einlud. Das Künstlerbuch "Wand" gibt als Äquivalent zur realisierten Installation die Gelegenheit, der inhaltlichen Komplexität des Projektes nachzugehen. Reagierte Jan Köchermann mit seiner Installation unmittelbar auf die Reformarchitektur des 1905 von Heinz Stoffregen entworfenen Hauses, so stand gleichermaßen dessen heutige Bestimmung zur Debatte. "Wand" erschien als ein umgekrempelter White Cube, je nach Sichtweise konnte die Banderole auch als gefräßig verschlingender Sockel erscheinen. In jedem Fall markierte Jan Köchermann mit seiner präzise durchdachten Verhinderungsarchitektur die Position des Ausstellungshauses für Gegenwartskunst im konkreten und übertragenen Sinne. Isoliert verharrt Haus Coburg heute an einer städtebaulich fragwürdigen Kreuzung, an einem Un-Ort, der in den 1970er Jahren als Ergebnis großer Visionen geschaffen worden war. Über neun Wochen ließ "Wand" die Städtische Galerie Delmenhorst dort in einem neuen Licht erscheinen. "Wand" wurde zu einem Display, zu einer Kulisse: Menschen, Tiere, Dinge und Phänomene kamen zur Aufführung. Ohne Choreografie und ohne Bewertung - und ohne Publikum, denn alles, jeder und jede war zwangsläufig Akteur. Die Kunst griff in das Leben ein und das Leben in die Kunst. In präzise komponierten Bildfolgen vermittelt das Künstlerbuch etwas von dieser Poesie des Alltags, die sich in Delmenhorster Herbsttagen so unerwartet anrührend zeigte. Das Buch, das durch einen Text der Kunstwissenschaftlerin Annett Reckert ergänzt wird, bezieht sich in seiner Konzeption und Machart somit auf die tatsächlichen Erfahrungen, die die Installation ermöglichte. Puristisch und klar war Jan Köchermanns Eingriff; unerwartet vielgestaltig waren die Betrachtungsweisen. So war "Wand" weithin zu sehen und konnte zugleich Schritt für Schritt umrundet werden. Ein naher Blick offenbarte dann die Präzision der bildhauerischen Arbeit, die sich Meter für Meter an den unebenen Boden schmiegte, die Materialität des aus der Ferne so schönen weißen Gewandes, das im Verlaufe der Wochen einen morbiden Charme entwickelte oder das Spiel von Licht und Schatten tagsüber oder nächtens in den Beleuchtungsvariationen einer städtischen Kreuzung.

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