Beschreibung
Hätte Johann Jacob Froberger seine Claviermusik nicht primär für den eigenen Vortrag verfasst, sondern für eine breitere Spielerschaft, viele der Werke würden in der Niederschrift eine Unmenge konkreter Anweisungen zur künstlerischen Wiedergabe enthalten. So lautet die zentrale These dieser interpretationsgeschichtlichen Studie, die das oft skizzenartig anmutende Notenbild Froberger'scher Kompositionen hinterfragt. Mangels aussagekräftiger Quellen zur tasteninstrumentalen Praxis der Zeit werden erstmals Schriften zur sängerischen Melodiegestaltung als Vorlage und Vergleichsgegenstand herangezogen. Das Hauptaugenmerk ruht dabei auf einem überaus aufschlussreichen Lehrbuch zum Sologesang, Jean Millets "La Belle Methode ou L'art de bien chanter" von 1666, einem aufführungspraktischen Dokument, das, im Kontext gesehen, heute geltende Begriffe von barocker Vortragskunst zur Diskussion stellt. Am Ende steht die verblüffende Erkenntnis, wonach im 17. Jahrhundert die gestalterische Einflussnahme und Mitverantwortung des Vortragenden bezüglich der klingenden Werkgestalt einen eminent hohen Stellenwert genoss, dem des Komponisten vergleichbar: ein Verständnis von musikalischer Künstlerschaft, das weit jenseits aktueller Konventionen anzusiedeln ist, auf sängerischem wie auf instrumentalem Gebiet.