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Zeit der Asche

Roman

Erschienen am 25.08.2009
24,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608937015
Sprache: Deutsch
Umfang: 510 S.
Format (T/L/B): 3.5 x 21 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Drei Frauen - drei Schicksale in den Wirren des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Ein globales Gesellschaftsepos, orchestriert wie ein Krimi, in dem sich die Ereignisse auf den Kontinenten überstürzen. Vom Amerika der Wallstreet bis hin zu Tschernobyl und den russischen Oligarchen inszeniert Volpi virtuos die Hoffnungen und Ängste einer Epoche. Im Wirbel der Weltgeschichte überlagern sich drei Frauenschicksale. Eine sowjetische Biologin bezeugt aus nächster Nähe den Zusammenbruch des Kommunismus und den Tod ihrer Tochter. Am anderen Ende der Welt hat eine amerikanische Ökonomin mit ihrem skrupellosen Mann und ihrer globalisierungskritischen Schwester zu kämpfen. Und schließlich ist da eine begnadete Computerwissenschaftlerin, entschlossen, das Geheimnis der Intelligenz zu lüften. Alle drei finden sich im Fadenkreuz eines sonderbaren Söldners wieder. Kriminalgeschichte, Wissenschaftsthriller und schillerndes Panorama der Zeitgeschichte in einem. Virtuos und schwungvoll erzählt 'Zeit der Asche' von den großen Umbrüchen des ausgehenden 20. Jahrhunderts: von Tschernobyl, dem Fall der Berliner Mauer, dem Niedergang des Sowjetreiches, von bakteriologischer Kriegsführung und dem Humangenom projekt. Und erforscht dabei die allzu menschlichen Leidenschaften und Abgründe.

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Autorenportrait

Jorge Volpi wurde 1968 in Mexiko Stadt geboren, studierte dort Jura und Literatur und promovierte im spanischen Salamanca. Seit 1992 Schriftsteller, ist er Gründungsmitglied von »Crack«, einem literarischen Zirkel von Autoren, deren Manifest eine Abkehr vom magischen Realismus fordert. Volpi war Kulturattaché in Paris und ist jetzt Programmdirektor des mexikanischen Kulturfernsehens.

Leseprobe

KRIEGSZEITEN (1929-1985) Drei Frauen 1 Moskau, Russische Föderation, 30. Dezember 2000 Es sind nicht ihre Augen. Ihre Stimme, eiskalt wie die Fliesen des Raumes, gestattet keine Widerworte. Wer würde es wagen, ihr zu widersprechen? Schwer zu sagen, was sie denkt oder was sie fühlt: Das bleibt eines der Rätsel unserer Spezies. Irina Nikolajewna Granina schweigt beharrlich, verschlingt die Ärzte mit ihren schwarzen Augen und merkt sich deren Namen, um sie später anzuzeigen. Wie konnten sie es wagen, sie mitten in der Nacht so zu belästigen? Der Kommunismus ist vorbei, aber sie haben sich nicht geändert, denkt sie (ich glaube, dass sie es denkt): Auch wenn sie jetzt makellose Kittel und Handschuhe tragen, es sind dieselben Henker, die Arkadi Iwanowitsch in der Vergangenheit verhöhnt, dieselben Feiglinge, die ihn für krank und gefährlich befunden, dieselben Trottel, die ihn mit Beruhigungsmitteln vollgestopft haben. In ihnen schlummern weiter Polizistenseelen, erregt sie sich. Irina klammert sich an ihre Tasche wie an einen Passierschein. Sie würde gerne so bald wie möglich wieder gehen, zu ihren weißen Laken zurückkehren und der Stille der Morgendämmerung, in ihren Traum, in den sie täglich eintaucht: ein dichtes uferloses Meer. Seit sie sich von Arkadi Iwanowitsch getrennt hat (oder deutlicher: seit sie ihn nach dreißig Jahren des Zusammenseins verlassen hat), beschützt niemand sie mehr vor den Schatten, jetzt muss sie sie selbst verscheuchen, mit dieser Entschlossenheit, die es ihr in der Vergangenheit ermöglicht hat, zu überleben und ihn zu retten. Sehen Sie sie bitte noch einmal an, Irina Nikolajewna. Sie tritt einige Schritte zurück, ihr Puls schlägt schneller, und jemand hebt das Tuch, das ebenso weiß ist wie die übrige Einrichtung. Unter dem Halogenlicht schimmert die menschliche Haut grünlich, doch Irina Nikolajewna hebt den Blick nicht, das ist nicht nötig. Eine Mutter irrt nie. Es sind nicht ihre Augen. Gerne würde sie es wieder und wieder sagen, es sind nicht ihre Augen, es sind nicht ihre Augen, sie dazu zwingen, den Mund zu halten, sich bei ihr zu entschuldigen, überzeugt davon, dass dieser graugrüne Blick nicht der ist, den sie so geliebt hat, aber ihre Zunge ist wie gelähmt. Die Temperatur steigt schwindelerregend schnell. Frische Luft, bitte! Draußen schlägt der Regen gegen die Fensterläden. Ein Praktikant bietet ihr ein Glas Wasser an, das Irina barsch ablehnt. Sie lässt sich auf einen Plastikstuhl fallen. Wir können uns vorstellen, wie schmerzhaft das für Sie ist, Irina Nikolajewna. Der junge Mann mit violetten Augenringen weiß nicht, wen er vor sich hat: dank ihrer Hartnäckigkeit und Stärke können die Russen jetzt frei reden; sie können sich italienische Krawatten kaufen oder mit thailändischen Minderjährigen schlafen; jetzt leben sie ohne Angst davor, verhaftet zu werden. Wie kann er an ihren Worten zweifeln? Vielleicht ist es besser, auf Doktor Granin zu warten. Auf Arkadi Iwanowitsch? Werden sie auch ihn behelligen? Auf Irinas Gesicht zeichnet sich ein bitteres Lächeln ab. In den letzten Monaten hatte sie nicht das Recht, ihn zu stören, und diese Nervensägen zitieren ihn wegen eines bürokratischen Irrtums mitten in der Nacht herbei! Es amüsiert sie, dass jemand die Ruhe von Arkadi Iwanowitsch Granin stört, des berühmten Mitglieds der Russischen Akademie der Wissenschaften, des ehemaligen Kandidaten für den Friedensnobelpreis, und ihn so ins Reich der Sterblichen zurückholt. Sie stellt ihn sich im Schlafanzug vor, übergewichtig, lächerlich, wie er sich bereit macht, in den Sturm hinauszutreten; vielleicht lohnt es, noch zu bleiben, um sein aufgedunsenes Gesicht zu sehen. Arkadi Iwanowitsch? Wir haben ihn soeben erreicht, er ist in wenigen Minuten hier. Wie naiv sie sind, denkt Irina, oder murmelt es gar. Man merkt, dass sie ihn nicht kennen: Wie alle Opfer fühlt Arkadi sich gezwungen, sein Martyrium zur Schau zu stellen, er nimmt alle Einladung

Schlagzeile

'"Zeit der Asche" ist einfach ein großartiger Roman, der es wagt, mit dem 20. Jahrhundert abzurechnen.' Walter von Rossum (DIE ZEIT, 16.07.09)

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