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Nachhaltige Stadtentwicklung

Infrastrukturen, Akteure, Diskurse, Interdisziplinäre Stadtforschung 22

Erschienen am 15.08.2017, 1. Auflage 2017
46,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593506517
Sprache: Deutsch
Umfang: 260 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 21.3 x 14.1 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Stadtentwicklung und -politik stehen spätestens seit den 1990er-Jahren unter dem Postulat einer nachhaltigen Entwicklung. Doch was bedeutet es für Städte konkret, eine "Lokale Agenda 21" zu verwirklichen? Der Band vereint Beiträge einer interdisziplinären Forschergruppe, ergänzt um Kommentare weiterer Wissenschaftler.

Autorenportrait

Jens Ivo Engels ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Nina Janich Professorin für Germanistische Linguistik, Jochen Monstadt Professor für Raum- und Infrastrukturplanung und Dieter Schott Professor für Neuere Geschichte an der TU Darmstadt.

Leseprobe

Einleitung: Städte auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung Jens Ivo Engels, Nina Janich, Jochen Monstadt und Dieter Schott Seit der Weltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 stellt "Nachhaltigkeit" das allgemein akzeptierte Leitbild zukunftsfähiger gesellschaftlicher Entwicklung dar. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung von Städten und Ballungszentren, in denen sich viele der in Rio diskutierten Probleme und Risiken konzentriert beobachten lassen (Schott/Toyka-Seid 2010; allgemein zum Konzept "Nachhaltigkeit" Grunwald/Kopfmüller 2006, Grober 2010; zur lokalen Nachhaltigkeitsforschung Klotz et.al. 2005). Obwohl die Konferenz von Rio mittlerweile ein Vierteljahrhundert zurückliegt, ist Nachhaltigkeit ein zentrales Leitbild städtischer Politik und urbaner Planung geblieben. Mehr noch: Besondere Dringlichkeit erhält die Suche nach der ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit städtischer Entwicklungsprozesse durch den Klimawandel und die in Deutschland beschlossene "Energiewende". Auch wenn der bekannte Slogan "Think global, act local" eher als Empfehlung für Umweltpolitiker und Aktivisten gemeint war, ist auch für die wissenschaftliche Erforschung von Potentialen und Grenzen der Nachhaltigkeitspolitik der Blick auf einzelne Städte unverzichtbar. Denn Städte entwickeln und verfolgen Nachhaltigkeitsziele in höchst unterschiedlicher, stadtspezifischer Weise. Raumübergreifende konvergente Entwicklungstrends werden durch divergente stadtspezifische Arrangements aus Problemwahrnehmungen, Thematisierungen und Handlungspraktiken in komplexer Weise strukturiert und variiert. Die Implementierung von Nachhaltigkeitspolitiken ist also abhängig von physischen und technischen Voraussetzungen auf der einen Seite sowie politisch-gesellschaftlichen Prozessen auf der anderen. Freilich erweist sich der hier skizzierte Gegensatz bei genauerem Hinsehen als künstlich - beide Dimensionen beeinflussen und durchdringen einander. Um die Bedingungen für und die Ergebnisse von Nachhaltigkeitspolitik in ihrer stadtspezifischen Eigenart jeweils besser verstehen zu können, ist eine zwischen den Geistes-, Sozial- und Ingenieurwissenschaften vernetzte Grundlagenforschung notwendig. Die Beiträge für diesen Band entstanden in einem Forschungszusammenhang, der sich seit einigen Jahren an der TU Darmstadt unter dem Dach des Forschungsschwerpunkts "Stadtforschung" herausgebildet hat. Ausgangspunkt dieses Forschungsschwerpunkts war für eine längere Periode die Auseinandersetzung mit dem Konzept "Eigenlogik der Städte" (Berking/Löw 2008). Im Mittelpunkt stand die Frage, was Städte jeweils kulturell, sozial und politisch voneinander unterscheidet und ob sich diese Unterschiede als stadtspezifische, d.h. "eigenlogische" Muster erfassen und erklären lassen. Unter diesem Dach versammelte sich eine Gruppe von vier Forscherinnen und Forschern aus Geschichtswissenschaft, Sprachwissenschaft und Planungswissenschaft, die ihre Untersuchungen auf die städtische Umweltpolitik fokussierte. Zwischen 2012 und 2016 wurde die Gruppe von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell innerhalb der Projektgruppe "Wege zur nachhaltigen Entwicklung von Städten" gefördert. Die Projektleiter sind zugleich Herausgeber des vorliegenden Bandes. Im Zentrum aller vier Teilprojekte stand die Frage, wie das Leitbild nachhaltiger Stadtentwicklung aktuell wie auch in jüngerer Vergangenheit interpretiert und verfolgt wurde und wird. Dabei sollte es nicht darum gehen, wie "gut" oder effizient die Nachhaltigkeitspolitik einer Stadt ist, also kein "Öko-Ranking" produziert werden, sondern vielmehr darum, wie in der Nachhaltigkeitspolitik eine "Eigenlogik von Städten" zum Ausdruck kommt. Den Ausgangspunkt der Untersuchungen bildete dabei die Annahme, dass materielle Ausstattung und räumliche Verortung, soziale und techno-logische Entwicklungen, gesellschaftliche und politische Debatten in Städten den Umgang dieser Städte mit dem Nachhaltigkeitspostulat in ent-scheidender Weise prägen. Um den Vergleich zu strukturieren, entschloss sich die Gruppe, alle Teilstudien auf ein gemeinsames Untersuchungsgebiet zu fokussieren. Es wurden die benachbarten Landeshauptstädte von Rheinland-Pfalz und Hessen, Mainz und Wiesbaden, als vorrangige Untersuchungsobjekte ausgewählt, weil die beiden Städte trotz Unterschieden etwa in politisch-kultureller Hinsicht ein ausreichendes Maß an Gemeinsamkeiten, etwa im Hinblick auf geographische Lage, Größe oder institutionelle Struktur-merkmale wie ihre Eigenschaft als Landeshauptstadt verbinden. Das erhebliche Maß an gemeinsamen Merkmalen einerseits, die prononcierten Unterschiede zwischen den jeweiligen städtischen Gesellschaften andererseits, ließen aussagekräftige Ergebnisse zu städtischer Eigenlogik im Hin-blick auf Nachhaltigkeitspolitik erwarten. Als methodische Klammer der gemeinsamen Forschungsarbeit diente das von Verena Winiwarter und Martin Schmid (2008) entwickelte Konzept des "sozionaturalen Schauplatzes". Dieses Konzept, eine umweltgeschichtliche Weiterentwicklung des praxistheoretischen Konzepts von Theodore Schatzki (2003), bietet den Vorteil, dass dank der Verknüpfung von Arrangements und Praktiken in einem als ko-evolutiv gedachten Prozess die klassische Dichotomie von Natur und Kultur überwunden wird. Die zirkulär gedachte Abfolge der Modi von Wahrnehmung, Repräsentation, Programm und Arbeit erlaubt, sowohl die sinnlichen Wahrnehmungen und kulturell-diskursiven Deutungen als auch die umweltverändernden und -gestaltenden Handlungen in das Konzept zu integrieren. Die Gegenstände, an denen das Verhältnis von "Nachhaltigkeit" als normativer Vorgabe für städtische Politik und jeweils konkrete städtische und zivilgesellschaftliche Praktiken mit Umweltbezug ausgelotet werden sollten, waren unterschiedlich. Die beiden historischen Projekte rekonstruierten, bis in die 1970er Jahre und teilweise noch weiter zurückreichend, einmal die Organisierung und politische Konstitution einer nennenswerten zivilgesellschaftlichen Umweltbewegung, zum andern das Verhältnis der Städte und ihrer Gesellschaften zum offenen Wasser, zu Flüssen, Bächen, Teichen und Seen auf städtischem Territorium. Die anderen beiden Projekte beschäftigten sich aus sprach- und aus planungs-wissenschaftlicher Perspektive mit nachhaltiger Stadtentwicklung. Bürgerschaftliches Engagement Der Implementierung jeder Politik, auch der Nachhaltigkeitspolitik, geht stets ein politischer Prozess voraus. Im Fall der Nachhaltigkeit, die als Teil der im weiteren Sinn verstandenen Umweltpolitik gilt, sind neben den üblichen Politikakteuren wie Parteien, Medien und Experten die zivilgesellschaftlichen Gruppen besonders relevant. Dies ist das Ergebnis einer spezifischen historischen Entwicklung. In Deutschland legitimiert sich Nachhaltigkeitspolitik (bzw. Umweltpolitik) seit den 1970er Jahren in starkem Maß als Ergebnis zivilgesellschaftlicher Forderung - und zwar stärker, als dies in früheren historischen Phasen der Fall war (der Naturschutz, aber auch der Schutz vor emissionsbedingten Beeinträchtigungen waren jahrzehntelang hauptsächlich Angelegenheiten staatlicher bzw. kommunaler Stellen und wissenschaftlich-technischer Experten), und stärker als in anderen Ländern, in denen sich eine nennenswerte Umweltbewegung häufig erst sehr spät ausbildete (z.B. Großbritannien) (Engels 2006). In Deutschland dagegen ist umfassende Umweltpolitik nicht nur, wie in anderen westlichen Ländern, seit etwa 1970 von staatlicher Seite und von Experten etabliert worden, sondern gehörte zu den Kernforderungen eines entscheidenden Strangs der damals florierenden Neuen Sozialen Bewegungen - ein Strang, der häufig als Umwelt- (Brand 2008), Ökologie- und/oder Antiatomkraftbewegung (Rucht 2008) bezeichnet wird (vgl. die Beiträge "Umweltbewegung" und "Anti-Atomkraftbewegung" in Roth/Rucht 2008) Dieser Umstand prägt dieses Politikfeld bis heute, wobei freilich der Bewegungscharakter der Umweltbewegung heute fast verschwunden ist. Eine Vi...

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