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Welche Industrie wollen wir?

Nachhaltig produzieren - zukunftsorientiert wachsen

Erschienen am 15.10.2015, 1. Auflage 2015
19,90 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593504735
Sprache: Deutsch
Umfang: 288 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 21.4 x 14.2 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Die ökologischen und sozialen Warnsignale stehen heute weltweit auf Dunkelrot: Der Klimawandel, die Finanzmarktkrise, die zunehmende Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung sowie die massiven Defizite in der öffentlichen Infrastruktur weisen auf gravierende Fehlentwicklungen unseres Wirtschaftssystems hin. Doch wie schaffen wir den Wandel zu einem nachhaltigen Modell des Wirtschaftens? Wie kann der Wechsel vom kohlenstoff- und ressourcenintensiven Pfad hin zu einem klima- und sozialverträglichen qualitativen Wachstum gelingen? Dieses Buch - ein Plädoyer für den ökologischen Umbau der Industrie und für das Konzept der 'Guten Arbeit' - liefert detaillierte Antworten auf diese drängenden Fragen, die sich uns und den kommenden Generationen stellen.

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Autorenportrait

Wolfgang Lemb ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.

Leseprobe

Ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell der Zukunft braucht "Gute Industriepolitik" Wolfgang Lemb Die ökologischen und sozialen Warnsignale stehen heute weltweit vielfach auf Dunkelrot: Klimawandel, Finanzmarktkrise, zunehmende Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung, aber auch massive Defizite in der öffentlichen Infrastruktur weisen auf gravierende Fehlentwicklungen hin. Hinzu kommen neue Herausforderungen und eine Vielzahl heute noch nicht abschließend zu beantwortender Fragen in der Entwicklung zur digitalen Produktion der Zukunft. Wie kann also ein nachhaltiges Modell des Wirtschaftens in Zukunft aussehen und welche industriepolitischen Rahmenbedingungen werden dazu gebraucht? Hierzu ist zunächst festzustellen, dass heute nahezu alle wichtigen Industriestaaten Industriepolitik betreiben. In der Ökonomie gibt es sicherlich noch eine Diskussion über das Pro und Contra von Industriepolitik, aber auch dort befinden sich die Verfechter der Lehre von der reinen Marktsteuerung tendenziell auf dem Rückzug. Zu gewichtig sind die Argumente derer, die die Notwendigkeit von Industriepolitik zur Steuerung der Märkte im Kapitalismus betonen. Und vor allem in der wirtschaftspolitischen Praxis ist die Frage, ob Regierungen Industriepolitik betreiben sollten oder nicht, beantwortet. Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht die Frage, wie eine problemadäquate Industriepolitik gestaltet werden sollte. An dieser Stelle scheiden sich in der Tat die Geister. Industriepolitik ist kein interessenfreier Raum, sondern die unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Interessen in Gesellschaft und Politik beeinflussen selbstverständlich industriepolitische Ziele und Instrumente und versuchen, sie für sich zu nutzen. Die unterschiedlichen Typen von Industriepolitik sind deshalb immer auch durch unterschiedliche Interessen geprägt, die gewissermaßen als "Treiber" anzusehen sind. Beispielsweise ist die zurzeit in Europa forcierte Austeritätspolitik nicht nur wegen ihrer verheerenden sozialen Konsequenzen heftig umstritten, sondern auch, weil sie als ein industriepolitisches "Low-Road-Konzept" nicht zielführend ist. Durch Senkung der Löhne und Sozialabbau werden sich die Probleme der Industrie in europäischen Staaten nicht lösen lassen. Notwendig ist vielmehr eine industriepolitische Modernisierungsstrategie im Sinne einer "High Road", um den verschärften Anforderungen im internationalen Wettbewerb gerecht zu werden. Hierbei ist Industriepolitik kein Neuland. In der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Bundesrepublik erwies es sich immer wieder als notwendig, den stetigen industriellen Strukturwandel sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig zu gestalten. Allerdings waren die Brisanz und das Gewicht der Probleme, denen sich die IG Metall in der historischen Entwicklung stellen musste, durchaus unterschiedlich. Insbesondere die ökologische Frage gewann im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung. Im Folgenden gehe ich aus Gründen der Darstellbarkeit von vier Phasen aus, die in der Realität nicht streng voneinander getrennt zu sehen sind, sondern mehr oder weniger ineinander übergehen. Erste Phase: Industriepolitik und "Wirtschaftswunder" Dass die Interessen der Beschäftigten an guten Arbeitsbedingungen, guter Bezahlung, guter Qualifikation und Arbeitsplatzsicherheit immer wieder neu erkämpft und durchgesetzt werden müssen, galt bereits für die Zeit des sogenannten Wirtschaftswunders. Nach Zeiten der Vollbeschäftigung Ende der 50er Jahre und anhaltend hohen Wachstumsraten schien der Strukturwandel zeitweilig "reibungslos" vonstatten zu gehen, sodass Beschäftigte aus damals schrumpfenden Branchen wie der Textilindustrie oder der optischen Industrie in expandierende Bereiche wechseln konnten. Aber dieser Prozess verlief schon damals nicht ohne soziale Härten. Deshalb griff die IG Metall steuernd ein bzw. setzte gegenüber Regierungen durch, dass staatliche Maßnahmen die sozialen Auswirkungen von Branchen- bzw. Unternehmenskrisen milderten. Im Vergleich zur aktuellen Situation handelte es sich aber um Probleme, die gut zu bewältigen waren. Dies zeigt die erste Krise in der Bundesrepublik Deutschland: der wirtschaftliche Einbruch 1967. Die damalige Arbeitslosigkeit von deutlich unter einer Million, wurde als wirtschaftspolitische Katastrophe empfunden, das keynesianische Instrumentarium erfolgreich angewendet, und nach kurzer Zeit bewegte sich die Bundesrepublik wieder auf dem Wachstumspfad. Allerdings wurde schon damals pragmatische Industriepolitik auf Bundesländerebene gemacht, um gravierende regionale Unterschiede einzuebnen. Aus diesem Grund wurde 1969 die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" angegangen. Im Kern handelte es sich um ein regionales industriepolitisches Instrument, bei dem allerdings die Arbeitnehmervertretungen kein Mitwirkungsrecht hatten. Zweite Phase: Industriepolitik und Krisen Die Situation verschärfte sich grundlegend seit den 1970er Jahren: Seit der sogenannten Ölkrise 1973/74 erfolgten konjunkturelle Einbrüche mit einer gleichzeitig tendenziell steigenden Arbeitslosigkeit. Zugleich kam mit dem Meadows-Report die ökologische Frage erstmals wahrnehmbar auf die Tagesordnung. Die Atomenergie, die zunächst als billige und unerschöpfliche Energiequelle durchweg positiv bewertet wurde, geriet mehr und mehr in die Kritik. Der drohende Klimawandel sowie die befürchtete Ressourcenknappheit waren neue Herausforderungen, denen sich die IG Metall stellen musste. Der Strukturwandel bekam damit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Vertretungen eine neue Brisanz. Es konnte nicht mehr umstandslos davon ausgegangen werden, dass auf lange Sicht mehr oder weniger alle vom Strukturwandel profitieren bzw. die Verlierer durch entsprechende Maßnahmen aufgefangen werden. Neue Anforderungen industriepolitischer Gestaltung standen deshalb für die IG Metall auf der Tagesordnung. Erstmals zog der Begriff der "nachhaltigen" Gestaltung des Strukturwandels in die gesellschaftspolitische Debatte ein. Viele strukturpolitische Konzepte entstanden aus Bewegungen gegen Betriebsstilllegungen und für Produktionsumstellungen. Im Organisationsbereich der IG Metall wurden Arbeitskreise für "Alternative Produktion" gegründet, die im Kontext der Friedensbewegung in den 80er Jahren als Arbeitskreise zur Konversion von Rüstungsproduktion in zivile Produktion zunehmend an Bedeutung gewannen. Als ökonomische Krisentherapie wurde - auch heute durchaus aktuell - eine Überwindung der Nachfrageschwäche durch eine expansive Finanzpolitik für notwendig gehalten sowie eine umverteilungsorientierte Tarifpolitik realisiert. Arbeitspolitik, durchaus ein wichtiges Element einer nachhaltigen Industriepolitik, deren Ziel - die soziale Gestaltung von Automation und technischem Wandel - unverändert aktuell ist, wurde von der IG Metall immer stärker forciert. Die IG Metall war ein wesentlicher Initiator des Programms "Humanisierung des Arbeitslebens", das von der Bundesregierung in den 70er Jahren aufgelegt wurde. Es sollte durch betriebsnahe Projekte Wege zu einer humaneren Arbeitswelt im Sinne des Abbaus von Arbeitsbelastungen sowie der Gestaltung von anspruchsvolleren Arbeitsplätzen, zum Beispiel durch die Reduzierung von extremer Arbeitsteilung aufzeigen. Schon damals war Kooperation zwischen den Sozialpartnern und dem Staat die entscheidende Voraussetzung, denn die Ziele und die Umsetzung des Forschungs- und Aktionsprogramms sollten durch eine Gesamtstrategie erreicht werden, die die drei Beteiligten (Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaft) zu tragen hatten. Durch die Tarifpolitik wurden Marksteine bei der Realisierung besserer Arbeitsbedingungen, kürzerer Arbeitszeiten sowie der Reduktion von Arbeitsbelastungen gesetzt. Auch der Umweltschutz, die ökologische Frage, geriet mehr und mehr in das Blickfeld gewerkschaftspolitischen Handelns. Vor dem Hintergrund von Katastrophen wie zu...

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