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Recht und Politik globaler Sicherheit

Bestandsaufnahme und Erklärungsansätze, Staatlichkeit im Wandel 17

Erschienen am 20.06.2013, 1. Auflage 2013
46,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593393346
Sprache: Deutsch
Umfang: 401 S.
Format (T/L/B): 2.6 x 21.4 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Sicherheitspolitik befindet sich weltweit im Prozess der Internationalisierung und Privatisierung. In der Folge davon wird das Monopol der Staaten zur gewaltförmigen Durchsetzung von Sicherheitsbelangen einem tief greifenden Wandel unterzogen. Die Beiträge des Bandes beleuchten die Neuordnung globaler Sicherheit und die ihr zugrunde liegenden Antriebskräfte aus politik- und rechtswissenschaftlicher Perspektive.

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Autorenportrait

Andreas Fischer-Lescano lehrt Öffentliches Recht und Völkerrecht, Peter Mayer Internationale Beziehungen an der Universität Bremen.

Leseprobe

Von der nationalen zur menschlichen Sicherheit: Politische und rechtliche Konsequenzen des erweiterten Sicherheitsbegriffs Christopher Daase Der Wandel des sicherheitspolitischen Diskurses Am Begriff der Sicherheit lässt sich nicht nur der Wandel eines politischen Diskurses, sondern auch die Veränderung der politischen Kultur in westlichen Staaten und darüber hinaus in der internationalen Gesellschaft verdeutlichen. Dabei geht es nicht nur um die vordergründige Versicherheitlichung von einzelnen Politikbereichen, die von gesellschaftlichen Akteuren betrieben wird, um ihnen eine größere Aufmerksamkeit in der Politik zu verschaffen. Was in der Erweiterung des Sicherheitsbegriffs vielmehr zum Ausdruck kommt, ist die Transformation sozialer und politischer Rahmenbedingungen internationaler Politik: ein Wandel der Sicherheitskultur. Unter "Sicherheitskultur" verstehe ich die Überzeugungen, Werte und Praktiken von Institutionen und Individuen, die darüber entscheiden, was als Unsicherheit im weitesten Sinne anzusehen ist und wie und mit welchen Mitteln dieser Unsicherheit begegnet werden soll (Daase 2011). Der Sicherheitsbegriff ist der sichtbarste Ausdruck dieser Sicherheitskul-tur, denn je nach dem, wie Unsicherheit konzeptualisiert wird, werden Gefahren identifiziert oder ignoriert und Bedrohungen dramatisiert oder entdramatisiert, und es rücken politische und soziale Problemlagen in den Vorder- oder Hintergrund (Daase 1993; Wæver 1995; Wolfers 1962). Es ist deshalb gerechtfertigt, die Analyse der Sicherheitskultur auf die historische Rekonstruktion des Sicherheitsbegriffs zu konzentrieren, um - im Sinne Reinhard Kosellecks (1979) oder Quentin Skinners (1989) - im Wandel der Sprache den politischen Wandel deutlich zu machen. Nur muss - um einem verbreiteten konstruktivistischen Kurzschluss vorzubeugen - betont werden, dass Sicherheit nicht allein durch willkürliche "Sprechakte" zum zentralen Wertbegriff der liberalen Gesellschaft geworden ist (Buzan u. a. 1998; Wæver 1995). Vielmehr ist es wichtig, komplexe soziale und politische Entwicklungen - auch historisch (Daase 2012) - in den Blick zu nehmen, um den Aufstieg des Sicherheitsbegriffs im Zuge der Staatenbildung einerseits und den Wandel des Sicherheitsverständnisses im Zuge von Globalisierung, Denationalisierung und Transnationalisierung andererseits zu verstehen. Die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs und die sich darin zeigende Expansion des gesellschaftlichen Sicherheitsbedürfnisses scheint vor diesem Hintergrund das Resultat der Emanzipation der Gesellschaft vom Staat zu sein. Die Pointe dieses Wandels ist, dass der liberale Staat - und mit ihm die internationale liberale Gesellschaft - zum Opfer des eigenen Erfolgs wird. Denn der gesellschaftliche Emanzipationsprozess ist auf ein relativ friedliches Umfeld angewiesen. Gesellschaftliche Sicherheitsbedürfnisse werden erst dann artikuliert, wenn das grundlegende Sicherheitsbedürfnis des Staates - also der Frieden im herkömmlichen Sinne - gewährleistet ist. Sobald das aber annähernd der Fall ist, werden darüber hinausgehende Sicherheitsanforderungen erhoben, die den Staat und die internationale Gemeinschaft tendenziell überfordern und unter Legitimationsdruck setzen. Schon Wilhelm von Humboldt (1967 [1792]: 118) hatte die doppelte Aufgabe staatlicher Sicherheitspolitik erkannt, als er in seinen Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen schrieb: "Diejenigen, deren Sicherheit erhalten werden muss, sind auf der einen Seite alle Bürger in völliger Gleichheit, auf der anderen der Staat selbst." Meine These ist, dass unter den Bedingungen von Globalisierung und Denationalisierung die latente Spannung zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Sicherheit manifest wird und sich gegenwärtig - insbesondere im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terrorismus - dramatisch verschärft. Im Folgenden soll die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs anhand von vier Dimensionen nachgezeichnet werden. Die erste Dimension betrifft die Referenzdimension, also die Frage, wessen Sicherheit gewährleistet werden soll. In den letzten fünfzig Jahren hat eine Bedeutungsverschiebung des Sicherheitsbegriffs stattgefunden, indem der Staat zuerst von der Gesellschaft, dann vom Individuum als primäres Referenzobjekt der Sicherheitspolitik abgelöst wurde. Die zweite Dimension ist die Sachdimension, also die Frage, in welchem Problembereich der Politik Sicherheitsgefahren festgestellt werden. Auch hier haben sich Veränderungen insofern ergeben, als neben militärischen zunehmend auch ökonomische und ökologische, zuletzt auch humanitäre Aspekte als sicherheitsrelevant angesehen werden. Die dritte Dimension betrifft die Raumdimension, also die Frage, für welches geographische Gebiet Sicherheit angestrebt wird. Hier lässt sich eine Ausdehnung des Sicherheitsverständnisses feststellen, insofern zunächst nur von territorialstaatlicher, dann von regionaler und internationaler und schließlich zunehmend von globaler Sicherheit die Rede ist. Die vierte Dimension bezieht sich schließlich auf das zugrunde liegende Gefahrenverständnis, also die Frage, wie das Problem konzeptualisiert wird, auf das Sicherheitspolitik antworten soll. Handelt es sich um eine konkrete Bedrohung, die eigene Verwundbarkeit oder sind es diffuse Risiken, die als Herausforderungen für die Sicherheitspolitik angesehen werden? In gewisser Weise hängen diese Dimensionen natürlich zusammen. Wäh-rend früher mit einem engen Sicherheitsbegriff vor allem die militärische Bedrohung nationaler Territorialität thematisiert wurde, kann heute mit einem erweiterten Sicherheitsbegriff auch das individuelle Risiko globaler Menschenrechtsverletzungen erfasst werden. Gleichzeitig lassen sich Si-cherheitsaspekte aber auch kombinieren, sodass etwa die regionale Verwundbarkeit von Staaten angesichts ökologischer Katastrophen oder die Risiken globaler Wirtschaftskrisen für das Wohlergehen der Menschen in den Blick genommen werden können. Das deutet darauf hin, dass die genannten Dimensionen hinreichend unabhängig voneinander sind, sodass sie im weiteren Verlauf der Untersuchung separat analysiert werden können. Ausgegangen wird dabei von einem engen Sicherheitsbegriff, wie er sich historisch nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte. Es soll aber nicht unterschlagen werden, dass der Sicherheitsbegriff - erstens - bereits eine gewisse Tradition in der europäischen Geistesgeschichte hatte (Conze 1984; Härter 2003) und dass - zweitens - schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere in den USA, "soziale Sicherheit" zu einer Kernfunktion des liberalen Staates wurde (Kaufmann 1973). Gleichwohl wurden zu Beginn der 1950er Jahre Sicherheit und Sicherheitspolitik vor allem im Kontext der internationalen Politik diskutiert und von den Fragen des sozialen Wohlergehens weitgehend getrennt betrachtet (Conze 2009; Frei 1977; Haftendorn 1983; Krell 1980). Diese Trennung ist im Laufe der letzten fünfzig Jahre sukzessive überwunden und im erweiterten Sicherheitsbegriff weitgehend aufgehoben worden. Ein interessantes Detail dieses Sprachwandels ist, dass der Friedensbegriff, der lange mit dem Begriff Sicherheit als Leitbegriff für die Außenpolitik und die internationalen Beziehungen konkurrierte, heute als der begrenztere, nur auf die Abwesenheit physischer Gewalt bezogene Begriff verstanden wird, wohingegen "der Sicherheitsbegriff den Schutz weiter gehender Interessen und Rechtsgüter" beschreibt (Kugelmann 2008: 186).

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Staatlichkeit im Wandel