0

Vom Zauber des Privaten

Was wir verlieren, wenn wir alles offenbaren

Erschienen am 25.09.2009, 1. Auflage 2009
18,00 €
(inkl. MwSt.)

Nicht lieferbar

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593388533
Sprache: Deutsch
Umfang: 160 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 22 x 14.9 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

InhaltsangabeInhalt 1. Das Unbehagen an der Schamlosigkeit Am Anfang ist die Scham Der Charme der Schamlosen Merkwürdige Nähe? Fremd in der eigenen Haut Allein, nicht einsam Lektionen in Oberflächlichkeit: Julie Die sehr erträgliche Leichtigkeit des Seins Verlorene Generation 2.0 Der fundamentale Relativismus Das Leben ist eine Baustelle Hauptsache glücklich? Die Scham der Individualisten Scham und Selbstverlust 2. Die Ausweitung der Intimsphäre Das Interesse an Waschzetteln Was ist intim? Intimität als exklusive Kommunikation Der freie Umgang mit Intimität ist ein schmaler Grat Das ambivalente Verhältnis von Intimität und Autonomie Der unbedachte Umgang mit Intimität macht unmündig Grenzen der Verständigung Intimität als Währung einer narzisstischen Kultur 3. Das Private im Zeitalter seiner technischen Reproduzier-barkeit I just called to say I love you Für den, den es angeht - und für alle anderen Die vernetzte Privatsphäre Maltes Geburtstag Warum so mitteilungsbedürftig? Aber das bin doch ich! Deutschland sucht. Die Sehnsucht nach Beachtung Reifer Narzissmus 4. Gelebte Nähe: Liebe und Freundschaft Die Liebesfähigkeit des Wischtuchs Der Idealismus heutiger Liebesbeziehungen Eine eigene Haltung Ein Schicksal wählen (damit irgendetwas bleibt) Eine große Unwahrscheinlichkeit Huggersinchief Die große Harmonie Gefährdungen der Freundschaft Netzwerke statt Freundschaft? Zumutungen unter Freunden 5. Im inneren Bezirk Nach dem Gesetz ist vor dem Gesetz Die Rückkehr des Großinquisitors Fluchten aus der individuellen Verantwortung Das beginnende Ich Als Individuum überleben Literaturauswahl

Autorenportrait

Martin Simons, 1973 geboren, hat in Berlin, Graz und Paris Rechtswissenschaft und Philosophie studiert. Er lebt als Autor und Journalist in Berlin.

Leseprobe

Der Charme der Schamlosen Ich kannte O. erst wenige Wochen, als unsere erste gemeinsame Einladung anstand. Ein Abendessen mit fünfzehn Gästen bei Freunden von O., nennen wir sie Max und Violetta. Ahnenforscher sind es gewohnt, die Generationenspanne nach dem durchschnittlichen Altersabstand der Kinder zu ihren Eltern zu bemessen, woraus sich ergibt, dass in etwa alle 25 Jahre eine neue Generation antritt. O. und mich trennen keine zehn Jahre. Und wenn auch Violetta erst Anfang Zwanzig und damit noch etwas jünger ist als O., befand ich mich während des Abends durchaus in Gesellschaft meiner Altersklasse. Nur erlebte ich zu meiner Verwunderung im Umgang der Gäste untereinander eine Offenheit, Herzlichkeit, ja Zärtlichkeit, die mir völlig neu und fremd war, aber ungemein erfrischend und beneidenswert erschien. Jede berührte jeden und umgekehrt; ein leichter, unverbindlicher Austausch von intimen Gesten, von innigen Umarmungen, zarten Küssen auf Wangen und Münder. Freundinnen bekannten ihren Freunden - und es waren keine Drogen im Spiel -, sie zu lieben und meinten damit schlicht, sich von Herzen gern zu haben, zumindest im Augenblick. Es herrschte eine Atmosphäre schwellenloser Nähe, wie ich sie so nicht einmal im südlichen Ausland erlebt hatte, wo der Umgang im Allgemeinen besonders offen und herzlich ist. Vor allem das Verhältnis zwischen Frauen und Männern schien mir an diesem Abend auf eine frappierende Weise frei und unbeschwert. Ganz anders als die Geschlechterbeziehungen am Anfang meiner Studentenzeit, an die ich mich erinnerte, in denen - jedenfalls im Vergleich zu dieser graziösen Unbekümmertheit - Ziererei, Unbeholfenheit und Krampf vorherrschten. Ein Mädchen, das nicht die eigene Freundin war, küsste man nicht ohne weiteres auf den Mund. Über seine sexuellen Freuden und Frustrationen sprach man nicht in großer Runde am Esstisch. Und Ich liebe dich sagte man nur nach reiflicher Überlegung oder aus Überschwang während des Geschlechtsverkehrs. Angenehm betrunken lagerte ich gegen Mitternacht mit drei Frauen um die Zwanzig auf einem Doppelbett und hörte vergnügt ihren Gesprächen zu. Ich verstand, dass sie die Nacht für jung ansahen und es an der Zeit wäre, sich im Internet über weitere Vergnügungsmöglichkeiten aufzuklären. Dazu besuchten sie abwechselnd ihre Profile auf facebook und MySpace. Die eigentliche Recherche geriet dabei sehr schnell in den Hintergrund. Bei S. hatte sich ein Bekannter eines facebook-Freundes mit der Bitte um Aufnahme in ihren Freundeskreis gemeldet. Diesem Ansinnen kam S. gerne nach, war der Fremde ihr doch schon letzten Samstag in einem Club angenehm aufgefallen. Freilich schloss sich nun die Frage an, inwieweit ihm auch Zugang zu intimeren Fotos gewährt werden könne. Die Mädchen baten mich um Rat und zeigten mir durchaus gekonnt gemachte Bilder, auf denen S. in Unterwäsche, zum Teil ohne BH, beim Frühstück, im Bett, bei der Pediküre auf einem Sofa zu sehen war. Ich fand, dass es hier nichts zu verbergen gab, und S. gab die Bilder auf ihrem Profil zur Ansicht frei. Der neue Freund lud nun seinerseits zur Besichtigung seines Fotoalbums ein und die Mädchen amüsierten sich prächtig. Sie kommentierten, was sie sahen, korrespondierten nebenher mit anderen Freunden - nach und nach wurde ich in ihre privaten Verhältnisse eingeweiht. Der gerade aktuelle Stand ihrer jeweiligen Liebesbeziehung wurde ebenso über die Profile kommuniziert wie mögliche sich anbahnende Affären. Dazu gab es auch von den anderen freizügige Fotos zu sehen, die ich mir natürlich ebenfalls gerne ansah, die mich aber später auf dem Heimweg mit O. in ihrer schamlos berechnenden Ausgestelltheit deprimierten. Überhaupt erfasste mich beim allmählichen Ausnüchtern eine schwer fassbare Traurigkeit darüber, dass O.s Freunde, die ich sehr mochte, ihre Intimsphäre veröffentlichten. Ich dachte, wer seine Intimität verliert, der hat alles verloren, und wer freiwillig darauf verzichtet, der ahnt nicht einmal, was ein Mensch ist. O., die über I

Inhalt

Inhalt 1. Das Unbehagen an der Schamlosigkeit Am Anfang ist die Scham Der Charme der Schamlosen Merkwürdige Nähe? Fremd in der eigenen Haut Allein, nicht einsam Lektionen in Oberflächlichkeit: Julie Die sehr erträgliche Leichtigkeit des Seins Verlorene Generation 2.0 Der fundamentale Relativismus Das Leben ist eine Baustelle Hauptsache glücklich? Die Scham der Individualisten Scham und Selbstverlust 2. Die Ausweitung der Intimsphäre Das Interesse an Waschzetteln Was ist intim? Intimität als exklusive Kommunikation Der freie Umgang mit Intimität ist ein schmaler Grat Das ambivalente Verhältnis von Intimität und Autonomie Der unbedachte Umgang mit Intimität macht unmündig Grenzen der Verständigung Intimität als Währung einer narzisstischen Kultur 3. Das Private im Zeitalter seiner technischen Reproduzier-barkeit I just called to say I love you Für den, den es angeht - und für alle anderen Die vernetzte Privatsphäre Maltes Geburtstag Warum so mitteilungsbedürftig? Aber das bin doch ich! Deutschland sucht ... Die Sehnsucht nach Beachtung Reifer Narzissmus 4. Gelebte Nähe: Liebe und Freundschaft Die Liebesfähigkeit des Wischtuchs Der Idealismus heutiger Liebesbeziehungen Eine eigene Haltung Ein Schicksal wählen (damit irgendetwas bleibt) Eine große Unwahrscheinlichkeit Huggers-in-chief Die große Harmonie Gefährdungen der Freundschaft Netzwerke statt Freundschaft? Zumutungen unter Freunden 5. Im inneren Bezirk Nach dem Gesetz ist vor dem Gesetz Die Rückkehr des Großinquisitors Fluchten aus der individuellen Verantwortung Das beginnende Ich Als Individuum überleben Literaturauswahl

Schlagzeile

Bitte nicht stören