Lutz Seiler kehrt nach zwei Romanen zurück in den Heimathafen der Gedichte. Zurück in die Stimmen der Kindheit, ins Waldstadion, in den »Knochenpark« und zur Frage, wo unser »eignes schmales erdreich ankern kann«. Er entdeckt den »Ahnenapparat« seines vom Uranbergbau geschleiften Heimatdorfes, um dort »seinen Toten« zu lauschen. Er durchstreift die Klangwelt des märkischen Kieferngewölbes und ist unterwegs: ob in den Legenden von Trouville oder in Stockholm, seiner zweiten Heimat, immer auf der Suche nach einer »schrift für blinde riesen« und ihrem Blick dorthin, »wo die welt vermutet werden könnte«.
Mit seiner suggestiven Stimme und einer gehärteten Sprache jenseits aller Moden eröffnet Lutz Seiler einen ureigenen poetischen Raum. Vor allem ist es die Materialität der Dinge, das Sprechen nah an den Substanzen verwandelt in Rhythmus und Klang, bilden sie den Erzählton seiner neuen Gedichte: »Der Hallraum eines Gedichts sollte nicht kleiner sein als der eines Romans«, schreibt Seiler. »Jedes gute Gedicht kann der gestische Kern eines Romans sein und die Verbindung herstellen zum Ursprung des Genres: zum Epos und seinem Gesang.«
Lutz Seiler (geboren 1963) wuchs in Ostthüringen auf. Sein Heimatdorf Culmitzsch wurde 1968 für den Uranbergbau geschleift. In Gera schloss er eine Lehre als Baufacharbeiter ab und arbeitete als Zimmermann und Maurer. Während seiner Armeezeit begann er sich für Literatur zu interessieren und selbst zu schreiben. Bis Anfang 1990 studierte er Geschichte und Germanistik an der Martin-Luther-Universität in Halle (Saale). 1990 ging Seiler nach Berlin, wo er einige Jahre als Kellner arbeitete. Längere Auslandsaufenthalte in Rom, Los Angeles und Paris. Seit 1997 leitet er das literarische Programm im Peter-Huchel-Haus bei Potsdam. Seiler lebt als freier Schriftsteller mit seiner Frau in Wilhelmshorst und Stockholm.
Von 1993 bis 1998 war Seiler Mitbegründer und Mitherausgeber der Literaturzeitschriftmoosbrand. Er schrieb zunächst vor allem Gedichte (fünf Gedichtsammlungen sind erschienen) und Essays, später auch Erzählungen und Romane. Für die ErzählungTurksib wurde Seiler 2007 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Für sein RomandebütKruso erhielt er 2014 den Deutschen Buchpreis. Der Roman wurde in 25 Sprachenübersetzt, mehrfach für das Theater adaptiert und von der UFA verfilmt. Sein zweiter Roman Stern 111 wurde 2020 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Im August 2021 erschien der Gedichtbandschrift für blinde riesen. 2023 wird Lutz Seiler mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
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