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Die Frau vom Weißen Meer

Roman

Erschienen am 02.11.2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783453352681
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S.
Format (T/L/B): 1.4 x 18.8 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Eine zutiefst anrührende Liebesgeschichte und stimmungsvolle Bilder, die man nicht vergisst! Es ist September, Altweibersommer, die Sonne strahlt über dem Dorf am Weißen Meer. Seit dreißig Jahren wartet die Lehrerin Vera hier auf die Heimkehr ihrer ersten großen Liebe. Der Sechzehnjährige rückte als einer der Letzen in den Zweiten Weltkrieg ein - und ist seither verschollen. Dennoch hält Vera ihm die Treue. Bis sie einem jungen Schriftsteller begegnet, der alles daransetzt, ihr Herz zu erobern.

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"Eine Frau, die so sehr zum Glück bestimmt war (und wäre es nur zu einem rein körperlichen Glück, ja, zu einem banalen körperlichen Wohlbefinden), die sich, fast möchte man sagen, unbekümmert für die Einsamkeit entschieden hat, für die Treue zu einem Abwesenden, den Verzicht auf Liebe." Diesen Satz habe ich in jenem sonderbaren Moment geschrieben, wo man plötzlich glaubt, einen anderen (diese Frau, Vera) zu kennen. Zuvor ist es Neugier, Ahnung, das Lechzen nach Geständnissen. Die Sehnsucht nach dem anderen, das Gefühl, von etwas angezogen zu werden, das in ihm schlummert. Hat man sein Geheimnis erst entschlüsselt, fallen jene oft selbstgefälligen Worte und Urteile, die zerlegen, festhalten, einordnen. Alles wird begreiflich und selbstverständlich. Nun kann sich Gewohnheit oder Gleichgültigkeit in eine Liebesbeziehung einschleichen. Das Geheimnis des anderen ist vertraut. Sein Körper wird zu einer Mechanik körperlicher Reize, die das Begehren weckt oder nicht weckt, seine Liebe gehört zum Bestand absehbarer Reaktionen. In diesem Stadium ereignet sich tatsächlich so etwas wie ein Mord, wir töten jenes unendliche und unerschöpfliche Wesen, dem wir begegnet sind. Wir haben es lieber mit einer Wortfügung zu tun als mit einem Lebewesen. Es muss in jenen Septembertagen gewesen sein, in einem Dorf tief in den Wäldern, die sich bis zum Weißen Meer erstrecken, als ich solche Überlegungen niederschrieb: "unerschöpfliche Wesen", "ein Mord", "eine durch die Wörter entblößte Frau". Damals (ich war sechsundzwanzig Jahre alt) schienen mir diese Schlüsse sehr scharfsinnig zu sein. Ich empfand den wohltuenden Stolz, das heimliche Leben einer Frau, die ihrem Alter nach meine Mutter hätte sein können, erraten und ihr Schicksal in einigen gutgedrechselten Sätzen ausgedrückt zu haben. Ich dachte an ihr Lächeln, an das Winken, mit dem sie mich grüßte, wenn sie mich von weitem am Seeufer sah, an die Liebe, die sie so vielen Männern hätte schenken können und die sie keinem gab. "Eine Frau, die so sehr zum Glück bestimmt war." Ja, ich war ziemlich stolz auf meine Analyse. Ich erinnerte mich sogar, dass ein Kritiker im neunzehnten Jahrhundert von der Dialektik der Seele gesprochen hatte und damit jene Kunst bezeichnete, mit der Schriftsteller die Widersprüche der menschlichen Psyche ergründen. ". eine Frau, die zum Glück bestimmt war, die aber." An jenem Septemberabend klappte ich mein Notizbuch zu und betrachtete eine Handvoll kalter, gesprenkelter Heidelbeeren, die Vera auf meinem Tisch verstreut hatte, während ich weg war. Im Fenster stand der Himmel über den dunklen Kronen des Waldes und erinnerte mit seiner milchigen Blässe an das einige Wegstunden entfernt schlummernde Weiße Meer, das bereits auf den Winter wartete. Von Veras Haus führte ein Pfad durch Dickicht und über Hügel zur Küste. Ich dachte daran, wie einsam diese Frau war, wie sie in sich ruhte, ich stellte mir ihren Körper vor (ich spürte ganz körperlich die wohlige Wärme, in die diese Frau sich in einer klaren Frostnacht unter der Bettdecke eingesponnen hatte), und da begriff ich plötzlich, dass keine Dialektik der Seele das Geheimnis dieses Lebens ausdrücken konnte. Dass dieses Leben für solche gelehrten Analysen viel zu eindeutig und auf schmerzliche Weise einfach war. Das Leben einer Frau, die immer auf den Mann gewartet hat, den sie liebte. Ohne jedes Geheimnis. Rätselhaft oder vielmehr anekdotenhaft daran war nur mein Irrtum: Nach unserer ersten Begegnung Ende August, die bloß wenige Sekunden gedauert hatte, sah ich Vera Anfang September wieder. Doch ich erkannte sie nicht. Ich war überzeugt, es handele sich um zwei verschiedene Frauen. Die mir allerdings beide "so sehr zum Glück bestimmt" schienen. Später entdeckte ich die Unebenheiten der Wege, das lebendige, nach jeder Biegung neue Kleid der Bäume, die weitgeschwungenen Uferlinien des Sees, denen ich bald mit geschlossenen Augen folgen konnte. Aber an jenem Tag im Spätsommer begann ich gerade erst, das L Leseprobe
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