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Roman

Erschienen am 01.12.1997
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442722396
Sprache: Deutsch
Umfang: 576 S.
Format (T/L/B): 3.5 x 18.5 x 11.8 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Oslo, Frühling 1965: Die Beatlemania grassiert wie überall in Europa. Gerade ist "I feel fine" erschienen. Die Pilzköpfe aus Liverpool beherrschen das Bild, beeinflussen die Jugend und verstören die Alten. Für Gunnar, Seb, Ola und Kim ändert sich alles. Hausaufgaben und Fußballtraining treten in den Hintergrund. Sie wachsen heran im Zeichen der Beatles. Sie nennen sich Paul und John, Ringo und George. Die neuen Scheiben bestimmen ihr Leben. Die vier überstehen den Erziehungsamoklauf ihrer besorgten Eltern und treiben Herrenfriseure in den Ruin. Sie erfahren den bittersüßen Geschmack der ersten Liebe und nehmen teil am weltweiten Aufbruch der Jugend. Und als die Zeit überschattet wird vom blutigen Ausgang der Pariser Maiunruhen und dem Massaker von My Lai, geht auch das nicht spurlos an ihnen vorüber.

Autorenportrait

Lars Saabye Christensen, 1953 in Oslo geboren, ist einer der bedeutendsten norwegischen Autoren der Gegenwart. Seine Bücher sind in 36 Sprachen übersetzt und wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Nordischen Literaturpreis, mehrmals mit dem Norwegischen Kritikerpreis, dem Preis des Norwegischen Buchhandels sowie dem Preis des Norwegischen Verlegerverbandes.

Leseprobe

Ich sitze im Sommerhaus, es ist Herbst. Meine rechte Hand irritiert mich, mit den Narben kreuz und quer, besonders der Zeigefinger. Er ist krumm und schief wie eine Klaue. Ich mu?ihn immer wieder ansehen. Er klammert sich an den Kugelschreiber, der rote Buchstaben malt. Es ist ein ungew?hnlich h?icher Finger. Eine Schande, da?ich kein Linksh?er bin, ich habe mir das mal gew?nscht, Linksh?er zu sein und Ba?itarre spielen zu k?nnen. Aber ich kann mit der linken Hand spiegelverkehrt schreiben, genau wie Leonardo da Vinci. Trotzdem schreibe ich mit rechts und ?be Nachsicht mit der verunstalteten Hand und dem absto?nden Zeigefinger. Hier drinnen riecht es nach ?feln, ein intensiver Apfelduft steigt von dem alten Tisch auf, an dem ich mitten im dunklen Raum sitze. Es ist der erste Tag, an dem es Abend wird, und ich habe nur von einem Fenster die Fensterl?n abgenommen. Der Fensterrahmen ist voll von toten Insekten, Fliegen, M?cken, Wespen, mit trockenen, d?rren Beinen. Der Geruch nach Fr?chten macht mich ganz benommen, mein leerer Kopf l?st etwas in mir aus; im Licht des Mondes, der jetzt durch das einzige offene Fenster scheint, tanzen Schatten an den W?en und verwandeln das Zimmer in ein altmodisches Diorama. Und genau wie Olas Vater, der Friseur in Solli, der den Film immer, wenn Geburtstag war, verkehrt in den Vorf?hrapparat legte, so da?wir drei Chaplin-Filme r?ckw?s sahen, so drehe ich jetzt allem den R?cken zu und begebe mich zur?ck. Und ohne da?ich mir dessen bewu? bin, stoppt die Filmrolle hinter meinen Augen bei einem bestimmten Bild, ich halte es f?r ein paar Sekunden fest, friere es ein, dann setze ich es wieder in Bewegung, denn ich bin allm?tig. Ich verleihe ihm Stimmen, Ger?che, Ger?che und Licht. Deutlich kann ich h?ren, wie der Kies unter den Schuhen knirscht, wenn wir ?ber den Vestkanttorg schleichen, ich kann das berauschende Schwindelgef?hl nach einem Lungenzug sp?ren, und immer noch kann ich Ringos Ellenbogen f?hlen, der mich weich in der Seite trifft, und wir vier stehen in Reih und Glied, und John zeigt auf einen schwarzen, blankpolierten Mercedes, der vorm Naranja parkt. Es war George, der als erster etwas sagte. Und zwar: "Das ist deiner, Paul." Alle wu?en, da?ich Spezialist war, wenn es um einen Mercedes ging. Ich brauchte nicht einmal Werkzeug. Man mu?e nur den runden Stern dreimal nach links drehen, ihn schnell loslassen und herausziehen, dann war die Befestigung garantiert abgerissen. Wir rannten die Treppe hinauf, und es kribbelte warm unterm Pullover. Wir nahmen die Lage in Augenschein. "Zu viele Leute", fl?sterte John. Die anderen waren seiner Meinung. Zwei M?er standen an der Ecke unter den Apfelb?en, eine alte Dame ?berquerte dicht daneben die Stra?. "Hat keinen Sinn, es zu v-v-versuchen", murmelte Ringo. "Wir haben schon einen Opel und zwei Ford", sagte George. "Aber das is' doch 'n 220 S!" sagte ich. "Wir hol'n ihn an einem andern Abend", sagte John. Es war aber nicht sicher, ob er dort morgen auch noch stehen w?rde. Und ich sp?rte diesen Sog in mir, den ich seitdem so oft gef?hlt habe, und ich h?rte nicht mehr auf die anderen. Ich ging ruhig ?ber die Stra?, allein, beugte mich ?ber die Motorhaube, mein Herz schlug immer noch mit schwachem, gleichm?tigem Schlag, ein P?hen kam den H?gel von Berk herab, die beiden M?er unter den Apfelbl?ten schielten zu mir her?ber, die Papageien im Fenster schrien stumm. Da drehte ich das Mercedesgeweih dreimal herum, lie?es schnell los, zog noch mal und schob es vorsichtig unter den Pullover. John, George und Ringo waren bereits weit entfernt, sie sollten irgendwie ganz nat?rlich gehen, aber von hinten ?elten sie drei Laternenpf?en mit roten Lampen. John drehte sich um und winkte mir wild, ich grinste und winkte zur?ck, dann rannten sie los Richtung Urra. Ich stand immer noch am Tatort, sah mich um, aber niemand hatte irgendwie reagiert. Ich begann, hinter den anderen herzugehen, langsam, wie um das Ganze zu verl?ern, um deutlich zu sp?ren, wie es war, Leseprobe