Beschreibung
Die Frage nach dem amtierenden australischen Premierminister oder den aktuellen politischen Ereignissen in und um Canberra werden die meisten von uns ebenso unbeantwortet lassen müssen, wie wir nur geringe Kenntnis von australischen Essgewohnheiten oder den kulturellen Angelegenheiten des Landes haben. Eine Erklärung dafür, dass dieser riesige Kontinent in unserem öffentlichen Bewusstsein eine nur geringe Rolle spielt, dürfte darin liegen, dass Australien kaum durch große Schlagzeilen Furore macht: Es räubert nicht munter die Weltmeere leer, verkauft keine Waffen an schlimme Despoten und baut nicht in frechen Mengen Kokain an: Australien ist friedlich, stabil und gut. Doch was hat es wirklich für eine Bewandnis mit diesem Kontinent, der als der trockenste, flachste, heißeste, unfruchtbarste und klimatisch aggressivste aller bewohnten Kontinente gilt - und dabei eine unerhörte Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren aufweist? Was ist das für ein Land, in dem die Sternbilder auf dem Kopf stehen, in dem sich fliegende Füchse tummeln und Fische, die auf Bäume klettern? Um das herauszufinden, hat sich Bill Bryson auf den Weg gemacht - zunächst mit der legendären Indian-Pacific-Eisenbahn von Sydney nach Perth, und weiter zu den großen Städten Canberra, Adelaide, Melbourne und Darwin. Unglaubliche drei Millionen Quadratmeilen Leere umfasst dieses extrem dünn besiedelte Land, in dem auf einen Kopf zwei Schafe und sechzehn Karnickel entfallen - und erstaunliche 580 Dollar jährlich für Glücksspiele aller Art. Denn verfügt Australien auch über weniger als ein Prozent der Weltbevölkerung, so stehen dem doch stolze über zwanzig Prozent aller Spielautomaten weltweit gegenüber. Die Australier sind begeisterte Zocker, und die liebevoll "Pokies" genannten Münzautomaten stehen auf der Hitliste australischen Nachtlebens ganz oben. Doch das Risiko, dank einer rauschhaft durchspielten Nacht der Reisekasse verlustig zu gehen, ist noch das geringste Übel: Auf Schritt und Tritt lauert in Australien die Gefahr, denn nirgends auf der Welt gibt es mehr Lebewesen, die den ahnungslosen Touristen mit einem gezielten Stich oder Biss ins Jenseits befördern können. Hatte Bill Bryson bei seinem Trip auf dem Appalachian Trail ("Picknick mit Bären") der Gefahr einer Bärenattacke ins Angesicht sehen müssen, so sind es hier die Krokodile, die ihm zu schaffen machen. Nicht umsonst steht das australische Leistenkrokodil im Ruf, ein bestialischer Killer zu sein, und auch der Ratgeber "Crocodile Attack in Australia" weiß keine wirksame Gegenwehr. Verhängnisvoller noch sind aber die zahlreichen Schlangenarten, die dem Spaziergänger nach dem Leben trachten - die Wüstentodesotter etwa oder die Taipans, die gefährlichste Schlange der Erde, deren Gift fünfzig Mal so tödlich ist wie das der Kobra. Nicht zu vergessen sind auch die diversen Spinnen, denen man tunlichst aus dem Weg gehen sollte und deren mörderischster Vetreter der "Tod auf acht Beinen", die Rotrückenspinne ist. Doch hat man glücklich alle Gefahren zu Lande umschifft, so weiß Bill Bryson Erschreckendes darüber zu berichten, was dem Schwimmer ein erfrischendes Bad im Meer bescheren kann: eine Begegnung mit der Quallenart der Portugiesischen Galeere - der Name ist Programm -, die an Schrecken nur noch übertroffen werden kann von einem "unsäglich grausigen, kleinen, todbringenden Sack", der weltweit gefürchteten Würfelqualle, die binnen Sekunden Todesqualen unvorstellbarster Art auslöst. Doch davon abgesehen hat Australien auch allerlei Amüsantes zu bieten: So entdeckt Bill Bryson in einem kleinen Städtchen einen Laden mit einzigartigem Warensortiment, bestehend aus Haustierzubehör und - sittsam verborgen hinter Flohpulver und Katzengras, aber dennoch! - Pornoartikeln. Und wem würde es kein Vergnügen bereiten, ein Land zu bereisen, das einen an Orte führt mit so wunderlichen Namen wie Burrumbottock, Suggan Buggan, Boomahnoomoonah, Ewlyamartup, Jiggalong und schließlich das höchst befriedige ...
Autorenportrait
Bill Bryson wurde 1951 in Des Moines, Iowa, geboren. 1977 zog er nach Großbritannien und schrieb dort mehrere Jahre u. a. für die Times und den Independent. Mit seinem Englandbuch "Reif für die Insel" gelang Bryson der Durchbruch, und heute ist er in England der erfolgreichste Sachbuchautor der Gegenwart. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt, stürmen stets die internationalen Bestsellerlisten. 1996 kehrte Bill Bryson für einige Jahre mit seiner Familie in die USA zurück, seit 2003 lebt er wieder in England.
Leseprobe
I Auf dem Flug nach Australien fiel mir wieder nicht ein, wie der Premierminister heißt. Ich seufzte. Das passiert mir immer - ich will mir den Namen merken, vergesse ihn (meist mehr oder weniger prompt) und fühle mich dann schrecklich schuldig. Denn ich finde, dass ihn wenigstens ein Mensch außerhalb Australiens kennen sollte. Es ist aber auch schwer, sich einigermaßen über das Land auf dem Laufenden zu halten. Als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal von London aus dorthin flog, vertrieb ich mir die vielen Stunden mit der Lektüre einer Geschichte der australischen Politik des zwanzigsten Jahrhunderts und stieß auf die erstaunliche Tatsache, dass der Premierminister Harold Holt im Jahre 1967 an einem Strand in Victoria entlangspazierte, in die Brandung hechtete und verschwand. Von dem armen Mann ward nie wieder etwas gesehen. Ich fand das doppelt erstaunlich - erstens, weil Australien einfach so einen Premierminister verlor (also, wo gibt's denn so was?), und zweitens, weil es mir nie zu Ohren gekommen war. Was nur einmal mehr beweist, wie schmählich wenig Beachtung wir unseren Brüdern und Schwestern am anderen Ende der Welt - down under - schenken. Doch das hat seine Gründe: Australien ist sehr weit weg und großenteils unbewohnt. Sein Anteil an der Weltbevölkerung ist verschwindend gering: nur neunzehn Millionen Menschen leben dort - um mehr als diese Zahl wächst ja China schon jedes Jahr. Und mit einer Wirtschaftskraft, die in etwa dem us-Bundesstaat Illinois entspricht, spielt es im weltweiten Vergleich auch nur eine Nebenrolle. Es schickt uns zwar ab und zu nützliche Dinge - Opale, Merinowolle, Errol Flynn und Bumerangs -, doch nichts, das wir unbedingt zum Leben bräuchten. Der wichtigste Grund dafür, dass es ständig übersehen wird, scheint mir jedoch darin zu liegen, dass es sich nie daneben benimmt. Die politischen Verhältnisse sind stabil, die Leute friedlich und gut. Australien kennt keine Staatsstreiche, überfischt nicht rücksichtslos die Weltmeere, verkauft keine Waffen an fiese Despoten, baut nicht in frechen Mengen Koka an oder führt sich in nassforscher oder sonst wie ungebührlicher Weise auf. Doch selbst all dessen eingedenk, ist unsere Ignoranz gegenüber dem, was dort passiert, schwer zu erklären. Wie Sie sich denken können, ist sie vor allem in den Vereinigten Staaten verbreitet. Kurz bevor ich zu meiner Reise aufbrach, ging ich in die Stadtbücherei meines Heimatorts Hanover, New Hampshire, und schaute Australien im New York Times Index nach. Ich wollte sehen, wie viel Aufmerksamkeit es in den letzten Jahren in meinem Heimatland erregt hatte. Nur weil der Band von 1997 aufgeschlagen auf dem Tisch lag, begann ich mit diesem Jahr. Über das ganze Spektrum möglicher Interessensgebiete verteilt - Politik, Sport, Reise, die anstehenden Olympischen Spiele in Sydney, Essen und Trinken, die schönen Künste, Nachrufe und dergleichen -, hatte die New York Times 1997 zwanzig Artikel gebracht, die sich überwiegend oder ausschließlich mit australischen Angelegenheiten beschäftigten. Nur zum Vergleich: Im selben Zeitraum gab es einhundertundzwanzig Beiträge über Peru, etwa einhundertundfünfzig über Albanien und Kambodscha, jeweils mehr als dreihundert über Nord- und Südkorea und weit über fünfhundert über Israel. Alles in allem war Australien gleichauf mit Weißrussland und Burundi. Mehr zu lesen gab es selbst über Themen wie Freiluftballons und deren Fahrer, die Scientology-Kirche, Hunde (ausgenommen Hundeschlitten-Fahren) und über Pamela Harriman, die Ex-Botschafterin und Partylöwin, deren Ableben im Februar 1997 offenbar eine Katastrophe darstellte, die zweiundzwanzigmal in der Times erwähnt werden musste. Grob gesagt, war Australien den Amerikanern 1997 unwesentlich wichtiger als Bananen, aber bei weitem nicht so wichtig wie Speiseeis. Und dabei war 1997 sogar noch ein gutes Jahr für Nachrichten aus dem fünften Kontinent. 1996 war er Thema in gerade einmal neun Berichten und 1998 nur in sech ...