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Herr Grundmann sagt Franziska

Novelle

Erschienen am 24.02.2016
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783887473310
Sprache: Deutsch
Umfang: 98 S., 10 s/w Illustr., 10 Illustr.
Format (T/L/B): 1.5 x 20 x 12.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Über den schüchternen Herrn Grundmann, der mit seinem Hund Königsberg in einem Haus am Rande einer Kleinstadt lebt, dort in einem kaum frequentierten Tabakmuseum arbeitet und deswegen viel Zeit zum Lesen und Nachdenken hat. Erschüttert wird sein fast idyllisches, gut sortiertes Leben von einer jungen Frau, die in den ersten Stock des Hauses einzieht, eine Frau, die Franziska heißt und sich dann auch noch als Klavierlehrerin entpuppt. Nur langsam kann sich Herr Grundmann mit dieser Person und den Tönen aus dem ersten Stock anfreunden, beobachtet die muntere Frau neben und über ihm mit immer neuem Erstaunen, findet langsam Gefallen an ihr und auch daran, seine Schüchternheit zu überwinden - getrieben von einem Gefühl, das ihm eine ungeahnte Leichtigkeit schenkt. Ein Buch, das man getrost - auch als Buchhändlerin bzw. Buchhändler - mit energischem Augenzwinkern empfehlen kann.

Autorenportrait

Frauke Tuttlies, 1966 in der Zigarrenstadt Bünde geboren. Vor der Einschulung vier Jahre in Teheran, Abitur 1985 in Tokio. Studium der Germanistik, Soziologie und Pädagogik, Magistra, dann Tätigkeit als Texterin in diversen Werbeagenturen in Bielefeld, Münster und Hamburg. Lebt als freie Autorin in Berlin.

Leseprobe

Wenn Herr Grundmann Franziska sagt, hört er sie husten. Das hat schon gestern Abend angefangen und seitdem nicht nachgelassen. Franziskas Lungen bellen. Und Königsberg bellt mit. Herr Grundmann kramt schon mal die Mütze heraus, die er immer aufsetzt, wenn ihn eine Erkältung erwischt. Es ist eine Jakobinermütze mit herabhängendem Zipfel, der nach vorne geschlagen wird, so dass er in die Stirn fällt. Sie ist aus Wolle, sie hält besonders warm. Deshalb trägt Herr Grundmann 'seinen Jakobiner' inzwischen immer, wenn er kränkelt, nur im Bett. So wie jetzt, dabei ist Herr Grundmann nicht erkrankt, Franziska ist es! Sie braucht eine Hühnersuppe. Es reicht ja schon, wenn sie von innen wärmt. Und um ehrlich zu sein, könnte Herr Grundmann jetzt selbst eine Tasse Suppe vertragen. Ein Tellerchen zur Stärkung. Ihm ist ganz flau, als er nach getaner Arbeit endlich bei Franziska klingelt. Das hat er noch nie getan, er war noch nie bei ihr, oben. Es dauert etwas, bis sie die Tür öffnet. Franziska sieht verloren aus, wie sie im Türrahmen steht, klein und schmächtig. Franziska im Pyjama, Filzpantoffeln an den Füßen. Was schaut sie Herrn Grundmann so verwundert an? Sie blickt ja noch nicht einmal auf den Suppentopf in seinen Händen! Sie sieht auf seinen Kopf. Herr Grundmann sagt 'Chapeau!' und verneigt sich vor Franziska. Ja, er bleibt in gebeugter Haltung vor ihr stehen, damit sie die Mütze direkt vor Augen hat. 'Sie hilft gegen Erkältungen', erklärt er, und Franziska fischt ihm die Jakobinermütze vom Kopf und setzt sie sich auf, als wäre das nichts Ungewöhnliches, als wäre das selbstverständlich. 'Und was ist mit dem Topf?', fragt sie forsch. 'Ach', seufzt Herr Grundmann, der sich aufgerichtet hat und ganz in den Anblick von Franziska vertieft ist. Franziska mit seinem Jakobiner! Er reicht ihr die Suppe. 'Schön aufessen', empfiehlt er, 'das macht gesund' und dreht sich auf dem Absatz um. Ja, Herr Grundmann steigt die Treppe wieder hinunter. Den Anblick von Franziska mit Jakobinermütze, den wird er nicht vergessen, der hat in ihm gezündet. Möglich, dass er eine Revolution auslöst.

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